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4. Kapitel: Aus Giftmüll Geld machen

Sam Spade, die DDR und der Müll

"Was machen wir jetzt?"

"Sie werden mir ein paar Fragen beantworten. Sollten Sie das nicht tun, steuern wir den direkten Weg zur Polizei. Verstanden?"

"Aber wieso..."

"Meine verehrte Klientin, man hat in dieser Nacht versucht, mich umzubringen, und ich darf wohl annehmen, dass ich das Ihnen zu verdanken habe. Außerdem hat man Ihren Mann abgeknallt, und das lässt Sie vollkommen kalt. Sie erwarten doch nicht, dass ich glaube, Sie hätten eine weiße Weste?"

***

Schweigen. Sam sieht der Frau, die neben ihm auf dem Rücksitz des Wagens sitzt, streng in die Augen, duldet keinen Widerspruch.

"Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll."

"Am besten am Anfang."

"Hm. Wir haben vor 5 Jahren geheiratet, Martin und ich, und zu Anfang war das auch eine schöne Sache. Als das erste Jahr vorüber war, hatte er soviel mit seinem Job zu tun, dass er für mich kaum noch Zeit hatte."

"Also haben Sie sich einen Lover genommen?"

"Ja, so, nicht direkt. Zuerst hatte ich ein, zwei kleinere Affären, dann kam eine Sache mit einem Kollegen meines Mannes, den ich bei einer Party kennengelernt hatte. Das hat länger gedauert."

"Hat ihr Mann Wind davon bekommen?"

"Erst ganz zum Schluss. Er hat mir Vorwürfe gemacht, ich hab' dann erfahren, dass er auch ein paar Affären hatte. Aber an Scheidung haben wir nie gedacht."

"Ach?"

"Das ging nicht, in seiner Position. Und vielleicht war es auch besser so."

"Warum haben Sie mich dann engagiert? Sie haben mir gesagt, ich sollte im Privatleben Ihres Mannes 'rumschnüffeln, um zu sehen, ob der eine andere Frau hat. Das kann ja wohl nicht sein, das haben Sie mir vorgeschwindelt. Was ist der Grund?"

"Die... Die Geschäfte meines Mannes. Ich wusste nicht, ob er da in die Kriminalität abrutscht."

"Was für Geschäfte?"

"Er hat Giftmüll verschoben. Er hat den Transport von Abfällen organisiert, die in den Osten gegangen sind."

"Und deshalb hat man ihn umgebracht?"

"Ich weiß es nicht. Aber die Leute, mit denen er da zu tun gehabt hat, das sind Kriminelle."

"Was sind das für Leute?"

"Ich kenne die nicht. Wir haben über seine schmutzigen Geschäfte nie geredet."

"Hat er irgendeine Andeutung darüber gemacht, dass er in Schwierigkeiten steckt?"

"Nein, nicht dass ich... Halt, doch, er hat letzte Woche gesagt, dass er sich in seiner Haut nicht mehr wohl fühle. Er hat mir gesagt, dass er glaubt, dass ihm die Sache außer Kontrolle gerät."

"Und deshalb haben Sie mich engagiert? Das soll ich Ihnen alles glauben?"

"Es ist die Wahrheit, Sam. Die ganze Wahrheit."

"Ich kann das so nicht glauben. Ich weiß zwar, dass diese Giftmüllmafia sehr gewalttätig ist und über Leichen geht, aber es will mir nicht in den Kopf, was Sie da sagen."

"Es ist aber die Wahrheit. Glauben Sie mir."

"Wo waren Sie in der letzten Nacht?"

"Muss ich die Frage beantworten?"

"Wenn Sie mir nicht antworten, werden die Bullen das schon aus Ihnen 'rauskriegen. Und wenn die Sie erst 3 Monate in den Knast stecken müssen, bis Sie weich sind."

"Verdammt."

"Wo?"

"Bei einem... einem Freund von mir."

"Name? Adresse?"

"Mein Gott, sind Sie neugierig!"

"Das muss ich sein. Wir müssen davon ausgehen, dass man Sie genauso umbringen will wie ihren Mann und mich. Und wenn Sie nicht sagen, wer der Typ ist, müssen Sie damit rechnen, dass der auch abgeknallt wird."

"Okay, Sie haben gewonnen. Hier, ich schreib' Ihnen die Adresse auf."

***

Gesagt, getan. Sam hält die Adresse in seiner Hand, der Typ ist jetzt nicht zu Hause, ist in der gleichen Firma wie der Mann seiner Klientin, und Sam denkt, dass der Betriebsschutz dafür sorgen wird, dass er keines unnatürlichen Todes stirbt. Er bedeutet Kottan, zu dem Haus an der Bahnlinie in Ehrenfeld zu fahren, in dem er seine Klientin sicher vor der Polizei und Killern unterbringen kann.

Sie kommen an, Mittag, eigentlich Zeit, um essen zu gehen. Das können sie auch später noch erledigen, denkt Sam, während ihm der Magen knurrt. Er sucht in seinem Trenchcoat nach dem Schlüssel, der ihm dieses Haus öffnen soll, in dem er für die nächsten Tage die Frau verstecken will, für die er jetzt arbeitet. Endlich  findet er den Schlüssel, steckt ihn in das Schloss und öffnet die schwere Stahltür. 3 Stockwerke hat dieses Gebäude, davon sind zwei nach einem Brand vor zwei Jahren nicht mehr zu bewohnen, aber in der obersten Etage hat er eine Wohnung wieder hergerichtet, die ihm oder - wie in diesem Falle - bedrohten Personen als Unterschlupf dienen kann. Die 3 Menschen steigen hinauf, Sam schließt die Wohnungstür auf und geht vorsichtig hinein, es könnte ja eine ungebetene Person anwesend sein, wer weiß... Aber das Misstrauen erweist sich als unbegründet, niemand da.

"Gut. Adolf, Du bleibst mit ihr hier. Ich werde mich draußen umsehen, und keiner verlässt mir das Haus. Im Kühlschrank sind genug Vorräte, alles Andere später."

"Gut. Wann kommst Du zurück?"

"Weiß ich noch nicht. Ich denke, spätestens um Mitternacht, vielleicht bin ich dann aber auch schon tot oder im Knast."

"Wäre nicht schön."

"Jaja. Und lass' unsere Klientin in Ruhe!"

"Wenn's sein muss..."

"Wie lange muss ich hier bleiben?"

"So lang, bis die Luft draußen wieder rein ist. Vielleicht nur heute, vielleicht auch länger. Wenn Sie abhauen, müssen Sie damit rechnen, sehr schnell abgeknallt zu werden. Ihr Mann ist tot, mich haben sie fast auch umgebracht, und Sie sind auch ganz nah am Sterben."

***

Das reicht. Sam winkt beiden zum Abschied, verlässt Wohnung und Haus. Vor der Tür ist kein Bulle zu sehen, die haben also noch nicht entdeckt, dass er eine Zweitwohnung hat. Sich umsehend schließt Sam den BMW auf, setzt sich auf den Fahrersitz und nimmt das Telefon zur Hand. Nach einigen Verbindungen hat er Inspektor Parsons am Telefon.

"Spade, Sie Arschloch. Was soll das?"

"Was? Wovon reden Sie?"

"Das wissen Sie ganz genau. Sie haben einen Kollegen an seinen Wagen gefesselt, der Sie beobachten sollte."

"Was? Geil, davon hatte ich keine Ahnung. Das war Kottan, aber davon hat er mir nichts gesagt."

"Das soll ich Ihnen glauben?"

"Ist mir scheißegal, ob Sie mir das glauben. Ich mag es nicht, wenn ich beobachtet werde, ist dass klar? Es ist in Ordnung, wenn ich vielleicht das Opfer eines Überfalles werden sollte, aber solange ich hier in den Ermittlungen stecke, will ich keinen Schatten haben."

"Wo stecken Sie jetzt, Spade?"

"Das sag' ich Ihnen nicht. Wie weit sind Sie mit den Ermittlungen?"

"Das sag' ich Ihnen nicht. Wo ist ihre Klientin?"

"Parsons, wir können nicht zusammenarbeiten. Wir sehen uns später. Auf Wiederhören."

***

Das war das letzte Wort. Sam legt auf, während Parsons etwas sagt. Egal. Er lässt den 6Zylinder an, der Motor schnurrt vor sich hin. Wenn das stimmt, dann haben die Bullen wirklich seine Spur verloren. Gut so. Er sieht auf den Zettel, die Adresse wird hoffentlich richtig sein, das ist nicht weit, dann schert er aus, dreht den ersten Gang bis zum Einsetzen des Begrenzers und erwischt eine Ampel bei Gelb.

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