Der Zivildienstleistende Heinrich Sobeck führt einen Kleinkrieg mit einem älteren Patienten. Als Heinrich den alten Nazi mit einer Geschichte aus dem Krieg konfrontiert, geschieht etwas, was niemand erwartet hatte…
Grensel und Hete: Papa bringt das Geld durch
Grensel und Hete waren allein. Ganz allein. Um sie herum tobte Lärm, und was sie nicht wussten, nicht nur Automobile und Flugzeuge tobten um sie herum, sondern auch der gesamte Polizeiapparat in Köln.
Denn es war manches passiert, von dem Grensel und Hete noch nichts wussten. So wussten sie nicht, dass ihr Vater gar nicht nach Hause zurückgekehrt war. Das viele Geld, dass er dem Herrn Müller abgenommen hatte, dass wollte er gar nicht zu seiner Frau tragen, sondern viel eher zu… Aber das war eine andere Geschichte, die würden Grensel und Hete vielleicht eines weiteren Tages erfahren.
Falls es für sie noch weitere Tage geben würde.
Doch das war in diesem Moment für beide nicht das Wichtigste. Viel wichtiger war, was ihre Mutter getan hatte, als sie hörte, dass der perverse Herr Müller, der sein vieles Geld mit dem Verkauf von pädophilen Videos gemacht hatte, verbrannt war. Sie war zu der Haus hingelaufen. Doch sie konnte nicht zu dem perversen Herrn Müller, denn dort hatten Männer in grünen und blauen Uniformen Bänder gespannt und wachten darüber, dass niemand dem rauchenden Haus zu nahe kam. Hui, wie hatte Mutti da geschrien und gewütet, als sie nicht zum Haus des perversen Herrn Müller konnte, und war von den genervten Männern in Uniform in Handschellen gelegt worden. Dann, als sie sich endlich wieder beruhigt hatte, war ihr eingefallen, dass ihr Mann ja mit dem ganzen Geld auf und davon war. Dabei hatte sie sich doch diese tollen Schuhe in dem tollen Laden mit dem tollen italienischen Namen, den sie gar nicht mal richtig aussprechen konnte, kaufen wollen… Und dann hatten ihr die Polizisten auch noch gesagt, dass sie nur die verbrannten Fettreste des fetten Herrn Müller in dem ausgebrannten Haus gefunden hatten, nicht aber auch nur ein kleines Stück von Grensel. Und auch nicht von Hete.
Hui, was war die Mutti da aufgesprungen! Was hatte sie für böse, böse Worte in den Mund genommen, mit denen sie wütend über ihren Mann redete! Da hatten die Polizisten sich die Ohren zugehalten, denn solch böse Worte wollten sie nicht hören!
Aber sie konnten hören, wie die Kollegen von der Abteilung, die immer eine große Straße, die sie Autobahn nannten, herauf und herab fuhren, wie diese Kollegen über einen großen, großen Unfall redeten. Dort hatten sich mehrere Autos ineinander verkeilt, ein alter Mann war zerquetscht worden und eine Frau, die gerade während der Fahrt mit einer Freundin reden musste, war in Trümmer gerissen worden. Doch es gab noch Andere, die hatten gesehen, wie zwei kleine Kinder über die Autobahn gelaufen waren und sich im Gebüsch in Sicherheit gebracht hatten. Und siehe, die Beschreibung passte genau auf die Grensel und auf den Hete.
Und hui, was war die Mutti da auf einem Mal noch wütender und noch böser geworden, so böse, dass sie den Holzfäller aus Köln-Bilderstöckchen einen Teufel, einen Entführer und einen Kindermörder schalt, dass sie seinen Namen herausschrie, so als sei es der letzte Schrei aus ihrem Leben gewesen, als sei ihre Seele mit diesem Schrei in die Welt der schönen Schuhe und der immer gefüllten Kreditkarten aufgefahren. Denn da brach sie zusammen und sah nicht mehr das Licht der Welt.
So stießen denn die Männer in den grünen und blauen Uniformen ins Horn. Sie riefen den Namen des Holzfällers, der gerade von seiner Frau im letzten Atem ausgespien worden war, in ihre kleinen transportablen Kästen, mit denen sie auch über weite Entfernungen miteinander reden konnten, in denen die Stimme versagt. Hui, und nochmal hui, was für ein Leben da in diesem großen Haus aus künstlichem Stein auf der falschen Seite des großen Flusses war! Da rannten Männlein und Weiblein durcheinander. Sie trugen alle grüne und blaue Uniformen. Sie sahen aus, als habe ein Bär in den Ameisenhaufen gestochen. Doch sie alle hatten nur ein Ziel: Findet den Mann! Findet den Mann!
So stiegen kleine Flugzeuge in den Himmel, die einen Heidenlärm machten, die einen großen runden Flügel über sich hatten, der sich dauernd drehte, die aber auch in der Luft stehen bleiben konnten und die ein großes Licht hatten, mit denen sie die Nacht auf einem Feld oder in einem Wald in den Tag verwandeln konnten.
Und das taten sie auch. Denn dort, wo die Grensel den Hete die Böschung der Autobahn hinauf gezogen hatte, wo sich diese vielen Autos stapelten, da schwebte nun eines der lauten Flugzeuge und leuchtete mit seinem großen Licht auf den Boden. Und siehe, der Mann mit dem großen Fernrohr oben in dem Flugzeug fand ein kaputtes Fahrrad, fand eine gestohlene Tasche, ja er fand sogar eine Katze, die vor Wochen ihr zuhause verlassen hatte, allein die Grensel oder der Hete fand er nicht. Denn sie hatten zwei Rollbretter gefunden und waren schon weit, weit fort, weiter als die Männer und die Frauen in den grünen und den blauen Uniformen glauben wollten.
Und dann waren da noch die anderen Männer in den grünen und den blauen Uniformen, und diesmal waren es nur die Männer, denn die Frauen wollten nicht mit, die waren zu dem großen blauen Haus in der Nähe gefahren, in der viele wenig bekleidete Frauen herum saßen und für kleine Stücke Papier, auf denen Zahlen gedruckt waren, Dinge an den Männern taten, die ihre Frauen nicht wollten. Ha, da brauchten die Männer in den Uniformen aber nicht lange suchen! Denn sie brauchten nur der Musik zu folgen, die „Urz – Urz – Urz“ machte. Dort tanzten viele der Frauen, die so arm waren, dass sie kaum ein Hemd am Körper trugen, und die so ganz enge Höschen hatten und so ganz große Kugeln unter dem Hals. Und sie alle lächelten und schwenkten die Papierstücke in Richtung des Mannes, der dort in der Mitte saß und um den sie herumtanzten. Plötzlich aber schrien alle diese Frauen, denn die breiten Männer, die die Tür bewachten, fielen mit einem Male alle zu Boden und andere Männer in dunklen Uniformen kamen in den Raum gestürmt, Männer, die ihre Gesichter hinter Masken versteckt hatten und die ganz, ganz große Pistolen in ihren Händen trugen. Hui, wie die armen Frauen ohne Kleider da plötzlich schrien und rannten! Aber viele von ihnen konnten gar nicht richtig laufen, denn weil sie so arm waren, konnten sie sich nur ganz arme Schuhe leisten, die so klein waren, dass die Frauen darin auf den Zehen laufen mussten… Und so sammelten die Männer in den Uniformen die Frauen ganz gemütlich eine nach der anderen ein.
Aber das taten nur ein paar von den Männern mit den Masken. Die anderen hielten die großen Pistolen mit der Öffnung, aus der es immer so laut „Peng!“ machte, auf den Kopf des Holzfällers gerichtet, der nun auf dem Boden lag, mit ganz weit aufgerissenen Augen und ganz viel Angst, was die Männer daran merkten, dass es dem Holzfäller nun plötzlich ganz nass zwischen den Beinen wurde. Und da kamen auch schon andere Männer in grünen Uniformen herein gelaufen. Sie hoben den Holzfäller von der Erde, nicht sanft, sondern ganz derbe wie er es früher mit der Grensel und dem Hete gemacht hatte. Und dann fragten sie ihn, wo er denn die Grensel und den Hete gelassen hatte. Doch da hatte der Holzfäller ganz, ganz viel Angst und verdrehte die Augen. Und so schrie einer der Männer mit den grünen Uniformen, es war der mit den meisten Sternen auf der Schulter, ganz böse Worte und ärgerte sich ganz, ganz furchtbar, so als wollte er sich selber in der Luft zerreißen.
Doch Grensel und Hete spürten von all dem nichts. Hui, wie schnell waren sie doch mit ihren Rollbrettern durch den Wald und durch die Felder gefahren! Nun sahen sie sich um. Es wurde leise um sie herum. In der Ferne sahen sie die Blaulichter der Polizei, den Suchhubschrauber und den Rettungshubschrauber, der ihren Vater zu ihrer Mutter ins Krankenhaus brachte.
Und so fuhren sie weiter aus der Stadt hinaus, in die Leere, in die Sicherheit.
Eine Sicherheit, die es für sie so nicht geben sollte.