Georgische Joghurtsuppe gehört zu meinen Lieblingsgerichten. Grund genug, ein Gedicht über das Gericht aus Georgien zuzubereiten.
Grensel und Hete: Der Wald bietet die Rettung
Weit, ganz weit waren Grensel und Hete aus der Stadt herausgefahren. Ihre Rollbretter waren wie der wilde Wind über die Wege gehuscht. Hui, wie schnell sie sich nun bewegen konnten! So schnell, dass sie vor lauter Wind und Tränen in den Augen kaum sahen, was vor ihnen war! So wie der Rentner, der seinen abendlichen Spaziergang durch die Felder machte, langsam, aber stetig. Er hörte ein leises Geräusch, das gar nicht leise war, sondern eher laut, aber seine Ohren waren von seinem langen Leben schon so geschwächt, dass sie gar nicht mehr richtig hören konnte. Auch seine Augen konnten nur etwas sehen, was sich in unmittelbarer Nähe befand, also vielleicht so weit, wie seine Hand reichen konnte. So drehte er sich um in die Richtung des leisen Geräuschs, also des lauten Knatterns, das die Rollbretter von Grensel und Hete von sich gaben, wobei sein Rücken einen lauten Knacks von sich gab. Oh, und was sah er da? Dämonen, Feinde, Riesen, die auf ihn zuhielten, aus der Ferne, also ein paar Meter entfernt! Und so hob er seinen Stock, um es diesen Riesen zu zeigen, um sie auszurotten, genau so, wie er es damals in Russland mit diesen süßen widerlichen kleinen...
Grensel wich dem Stock geschickt aus, ein paar Zentimeter nur trennten seinen zarten Kinderkopf von dem Gummi am Ende des Stockes, er hörte das Pfeifen des Windes neben seinem Ohr, dann aber machte er einen kurzen Wink mit der Hand, damit seine kleine Schwester Hete nicht mit dem alten Mann oder mit dem Stock zusammenstieß.
Der Rentner jedoch, übermannt von seiner Macht und den schönen alten Erinnerungen, als er die Kinder an der Mauer stehen sah und seine blitzsaubere Maschinenpistole durchlud, verfehlte mit dem Stock die Köpfe der Kinder und drehte sich einmal um sich selber. Kaum eine Sekunde, und er stand wieder dort, wo er seine Bewegung zur Abwehr der Riesen angefangen hatte.
Fast.
Denn leider war dort, wo er mit seinem rechten Fuß auftrat, ein kleiner Kieselstein. Dies wäre ja kein Problem gewesen, aber der Rentner hatte sein Leben lang zu gut gelebt und zu viel Zucker gegessen und deshalb spürte er seine Füße kaum noch. Und so drehte er sich auf dem Stein weiter und ruderte mit den Händen, denn er drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Hui, wie er da mit den Armen ruderte, um vielleicht doch den Sturz zu verhindern, aber dann schlug sein Stock auf den Boden auf, und konnte sich der arme alte Mann nicht mehr länger auf den Beinen halten und folgte der Schwerkraft, bis seine Stirn hart auf einen großen Stein aufschlug, der sagte, dass Köln hier fast zu Ende sei! Ein Strom von Blut entfuhr seiner Stirn, und er schlug die Augen auf, aber er sah nichts mehr in dieser Welt, denn er hatte sie in dieser Sekunde verlassen.
Von all dem, von dem alten Mann, dem Sturz, dem Blut und dem kurzen Todeskampf bekamen Grensel und Hete aber nichts mit, denn sie bemühten sich ihrerseits, nach dem schnellen Ausweichmanöver auf dem Weg zu bleiben und blickten nicht zurück. Denn sie hatten Angst vor dem alten Mann, von dem sie glaubten, dass er sie vielleicht zum Abendessen verschlingen mochte, genau so, wie Mutter es immer erzählt hatte, wenn sie zu den Männern gegangen war und mit viel Geld und schicken neuen Klamotten und einem strengen Geruch aus dem Mund nach Hause zurückgekehrt war. Und deshalb griff Grensel nach der kleinen Hand seiner Schwester Hete und trat noch schneller auf die Erde, damit das Rollbrett noch viel schneller wurde. Hui, wie sie da über den Weg und durch die Felder flogen!
So schnell flogen sie, dass sie kaum die Straße erkannten, die den Weg kreuzte, keine von diesen großen Straßen, auf denen die Autos kaum sichtbar waren, so schnell wie sie fuhren, sondern eine von diesen kleinen Straße mit einen kleinen weißen Strich, der immer wieder aufhörte, in der Mitte. Grensel sah urplötzlich, dass vor ihm eine Kante aus Stein auftauchte, aber er war zu schnell, viel zu schnell, um bremsen zu können, und so griff er erneut nach der Hand seinen kleinen Schwester Hete und zog sie mit sich über die Kante, damit sie nicht auf die Straße fallen sollte!
Wie zwei kleine Blitze schossen Grensel und Hete nun ein klein wenig in die Luft, flogen wie zwei Vögel, die ihr Leben lang nichts anderes als Fliegen getan hätten, über die Steine hinweg, rollten ein Weilchen über die Straße, bis zu der nächsten Kante, hinter der der Weg auf der anderen Seite der Straße weiterging.
„Grensel!“ schrie da die Hete ganz laut, und auch der Grensel wollte schreien, nicht aus Lust oder Vergnügen, sondern aus Angst, denn er sah plötzlich einen Stern neben sich! Aber keinen Stern am Himmel, sondern einen Stern ganz vorne auf einem dieser Autos, wie sie viele davon gestern auf der großen, ganz großen Straße gesehen hatten! Und dieser Stern kam näher, ganz, ganz schnell näher! So schnell, dass dem Grensel kaum Zeit zum Atmen blieb! Und so zog er fest, ganz fest an dem kleinem Händchen seiner kleinen Schwester Hete, damit sie nicht von dem Stern in viele kleine, blutige Stück zerteilt...
So kurz das Leben von Grensel und Hete bereits war, so schnell raste es nun vor ihrer beider Augen vorbei. Wie in einem ganz schnellen Film sahen sie die rauchende Mama, die mit ihrem Handy und der Zigarette in der Hand vor dem Fernseher mit der Werbung saß, sahen den Papa, der gerade verstohlen in die Küche ging und von ganz oben auf dem Regal eine Flasche herunterholte und einen Schluck einer glasklaren Flüssigkeit nahm, sahen das Sofa mit Spuren der schmutzigen Wäsche, die Mama seit Wochen... Dann war alles still um sie herum, und als wäre nichts gewesen, hörten sie nur noch die Gummirollen der Rollbretter unter ihren kleinen Füßen rattern. Der Stern war weg.
Aber so ganz weg war der Stern nicht! Nur konnten Grensel und Hete ihn nicht mehr hören noch ihn sehen! Denn dort, vielleicht zwei Meter hinter dem Stern, saß eine Frau, auch sie eine Mutter mit einem Kind hinter sich, aber eine Mutter, die immer viel zu tun hatte und deshalb keine Zeit gehabt hatte, dieses Band anzulegen, und auch ihr Kind hinten auf der Rücksitzbank wusste gar nicht, dass es ein solches Band gab. Und so sah sie plötzlich vor sich zwei kleine Kinder, die mit einem Affenzahn aus dem Maisfeld heraus auf die Straße schossen, als sei der Teufel persönlich hinter ihnen her. Da dachte die vielbeschäftigte Mutter nicht lange nach, da drehte sie schnell, ganz schnell an diesem großen Rad in ihren Händen. Hui, wie das Auto da mit einem Male nach links davon schoss, denn zugleich rammte die vielbeschäftigte Mutter auch ihren rechten Fuß fest, ganz fest auf diesen kleinen Hebel unter diesem großen Rad, und da röhrte es plötzlich vor ihnen, und dann schossen die Maiskolben rechts und links an ihnen vorbei, schneller und immer schneller, und bevor die Mutter daran dachte, auf diesen anderen Hebel zu drücken, da hatten sie schon diesen künstlichen kleinen Fluss erreicht, den sie hier vor ein paar Jahren gegraben hatten. Und so machten sich Mutter und Kind gleichzeitig auf den Weg, als der Stern hart auf dem Beton auf der anderen Seite des Graben aufschlug, auf den Weg durch das Auto, durch die Scheibe und über die Motorhauben hinweg in die schönen hoch gewachsenen Pflanzen. Maiskolben schwirrten nun um ihre Schultern, denn ihre Köpfe hatten schon den Kampf gegen die Scheibe verloren, als sie sich, nicht durch einen Gurt festgehalten, auf den Weg in das Feld machten.
Und auch von all dem, vom Röhren des Motors, vom Aufschlag des Autos und dem Tod der beiden Menschen im Randkanal sahen und hörten Grensel und Hete nichts. Denn zum einen fuhren sie auch auf der anderen Seite der Straße durch ein Maisfeld, und zum anderen machten auch hier ihre Rollbretter einen solchen Lärm, dass sie nichts anderes hörten als das Rattern der Rollen auf dem groben, von Löchern durchzogenen Asphalt.
Doch da! Vor ihnen tauchte etwas auf, vom dem sie wussten dass es ihre Zuflucht war! Es war dunkel, es war grün, es war groß und wurde mit dem jedem Schritt, den sie sich auf ihren Rollbrettern vorwärts stießen größer: Der Wald lag vor ihnen! Voller Ungeduld, am Ende ihrer Kräfte und ihres Atems, stießen Grensel und Hete sich ab und rollten, immer schneller werdend, auf diesen Wald zu, der ihnen ein neues Zuhause bieten würde, eine Zuflucht vor diesen Menschen, diesen bösen Menschen, die ihnen immer irgendwelche Gegenstände zwischen die Beine oder in Mund stoßen wollten... Sie schöpften Hoffnung, dass es nun bald mit all dem ein Ende nehmen würde!
Und so schossen sie auf den Wald zu! Grensel hatte seit langem wieder ein Lächeln auf den Lippen, denn er wusste, er hoffte, er glaubte daran, dass er in diesem Wald Frieden finden würde! So legte er den Kopf in den Nacken, sah die Äste, sah die Baumwipfel und die Blätter, sah.... Sah nicht, dass er grobe Asphalt am Beginn des Waldes endete und einem Weg auf Erde Platz machte. Viel zu schnell, um noch rechtzeitig bremsen zu können, schossen Hete und er auf den Beginn des Waldwegs zu, der dunkel und ruhig vor ihnen lag. Mit einem Schlag versanken die Räder der Rollbretter in der losen Erde, mit einem Schlag stoppte die Bewegung nach vorne. Hui, da flogen der Grensel und die Hete nun durch die Luft und fühlten sich frei von jeglicher Schwere! Aber nur für einen Atemzug, dann zog es sie wieder herab und sie schlugen auf dem Boden auf! Uff, was wäre ihnen alles zugestoßen, wenn das gerade auf dem harten Weg passiert wäre, aber hier lagen noch die Blätter aus dem letzten Herbst und dem trockenen Sommer auf dem Weg und so bremsten sie weich und sanft ihren Sturz. Nach einer kurzen Rutschpartie auf dem welken Laub kamen sie beiden auf dem Bauch zu stehen.
„Ist dir was passiert?“ fragte Grensel ängstlich seine Schwester.
„Ich glaube nicht“, antwortete sie atemlos, mit zitternder Stimme vor Angst.
„Hab keine Angst“, beruhigte ihr Bruder sie, „hier sind wir in Sicherheit.“
Und so standen der Grensel und die Hete auf, klopften sich die welken Blätter und das Laub von den Beinen und vom Bauch und gingen zu ihren Rollbrettern zurück. Vorsichtig, damit sie nicht schon wieder unsanft auf der Erde landen, gingen sie in den Wald hinein. Auch wenn sie den Weg erahnen konnten, so wurde dieser mit jedem Schritt, den sie machten, dunkler und schwerer zu erkennen, denn die Bäume hatten jetzt im Sommer ihr dichtes Blätterdach und ließen keinen Sonnenstrahl auf den Boden durch. Und doch war es angenehm in diesem Wald, denn es wehte nur ein sanfte Lüftchen um ihre Nasen und das kühlte sie nicht ab. Nach ein paar Schritten hatten sich zudem ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und so sahen sie, was sich links und rechts des Weges tat.
„Ich hab Hunger!“ quengelte Hete.
Als hätte es einen Zeichens bedurft, knurrte in diesem Moment auch beim Grensel der Magen. Wie lange hatten sie eigentlich nichts mehr gegessen? Sie hatten ja noch nicht mal richtig gefrühstückt! Das waren sie eigentlich gewohnt, weil ihre Mutter ja immer vor dem Fernseher saß und gleichzeitig mit dem kleinen Telefon bei Facebook sah, was ihre Freundinnen Neues gekauft hatten, für das Frühstück der Kinder war da keine Zeit, aber sie hatten wenigstens einen Kühlschrank und konnten lecker Currywurst zum Frühstück machen.
Doch wo war in diesem Wald der Kühlschrank? Grensel sah sich um. Gab es hier keine Häuser im Wald? Sie waren hier vielleicht in Sicherheit, aber zu Essen hatten sie hier nichts.
„Ih!“ schreckte die Hete plötzlich auf. „Da!“ zeigte sie auf einen Baum.
Grensel folgte ihrem kleinen Finger. Und da sah er ein kleines Tier, ganz dünn, mit einem langen., buschigen Schwanz, dass hurtig einen Baum hochkletterte und etwas aus einem Astloch holte. Dann kletterte das kleine Tier den Baum hinab, scharrte in der Erde und vergrub das kleine runde Teil im Boden.
„Ich glaube, dass war eine Nuss!“ sagte Grensel und hatte eine Idee. Er zog seine kleine Schwester zu dem Baum. Das kleine Tier, von dem beide nicht wussten, dass es sich um ein Eichhörnchen handelte, bekam es mit der Angst zu tun, ließ die Nuss fallen und machte sich eilends davon. Grensel hockte sich nieder und scharrte die Erde weg. Was er da fand! Nicht nur eine Nuss, sondern gleich eine ganze Handvoll! Und so reichte er seiner kleinen Schwester Hete einige davon, nahm einen Stein und hämmerte auf die Nuss, bis das Fruchtfleisch nach außen quoll. So hatten sie nun eine kleine Mahlzeit, die sie vielleicht nicht satt machte, die aber dafür sorgte, dass sie nicht weiter hungern mussten.
Und dann, als die Sonne unterging, da fanden sie, schon im Dunklen, eine Plane aus Plastik. Die schützte sie vor der Kälte, und als die Nässe der Nacht in ihre jungen Körper kroch, da schmiegten sie sich aneinander und träumten von der schönen Zeit in der Wohnung in Bilderstöckchen.