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Reisebericht Nordsee im Sommer 2008

15. Juni 2008

Die Städten seiner Kindheit aufzusuchen, dass bedeutet, früheren Geschichten nachzuforschen, früheren Träumen. Und Bilder aus dieser Zeit wieder vor Augen zu führen.

In der nun zu Ende gehenden Woche waren wir an der Nordseeküste. Dies ist ein Reisebericht, der sowohl die jetzige Lage als auch die vor rund 30 Jahren beschreibt.

In den 1970er Jahren war ich jeden Sommer an der Nordseeküste im Urlaub. Jeden Sommer im selben Ort, in Wangerland, zwischen dem nordwestlichen Ende des Jadebusens, der Küste mit den vorgelagerten Inseln Norderney und Wangerooge und nördlich von Wilhelmshaven. Fast jeden Sommer in der gleichen Ferienwohnung in einem Bungalow in Waddewarden. Und fast jeden Tag am Strand von Hooksiel. Seit 1980, dem letzten Aufenthalt an diesem Teil der Nordseeküste, war ich noch einige Male hier. Dieses mal ging es mir aber darum, die Unterschiede seitdem zu erkunden.

Schon bei der Anreise zeigen sich die Unterschiede. Frühere Erinnerungen gehen in die Richtung, dass wir zu meiner Tante nach Vreden im Münsterland gefahren sind. Dann mit fünf Menschen, davon drei Erwachsenen, im einem VW Käfer über die B70 nach Norden. Eng war das jedes Mal. Und ich erinnere mich noch daran, dass wir bei voller Fahrt einen Koffer verloren haben. Denn natürlich passt in den Kofferraum eines Käfer (vorne!) nicht viel rein. So segelte denn hinter uns ein Koffer über die Straße. Da seinerzeit eine erheblich geringere Verkehrsdichte herrschte als heute und der Koffer offensichtlich sehr stabil war, passierte nicht viel.

Wie anders die gleiche Strecke im Jahr 2008. Im Radio Staumeldungen ohne Ende, und das ohne den Beginn der Ferien. Auf der A1 wird eine Brücke abgerissen, die Staustrecke ist das Wochenende gesperrt. Die A30 ist inzwischen durchgebaut, die Lücke im Emsland geschlossen. Wir fahren vorbei am Emsland, das sich beim letzten Urlaub sechs Jahre zuvor als langweilig herausstellte. Gemütlich mit knapp 200 Sachen auf der linken Spur, mit einem mickerigen Verbrauch, den der Käfer nicht einmal bei Tempo 30 hätte einstellen können. Auf einer der leersten Autobahnen Deutschlands.

Eine Sache hat sich sehr deutlich sichtbar geändert. Ab einer Entfernung von rund 100 km zur Küste ist Norddeutschland gepflastert mit Windkraftanlagen. Haufenweise stehen Windparks herum und bringen uns natürlichen Strom. Langsam erahne ich, dass es Menschen gibt, die sich die freie Sicht nicht nehmen lassen wollen und dagegen ihre Anwälte in Marsch setzen, so wie es die Bundeskanzlerin wollte.

Dann sollen sich diese Leute allerdings auch damit abfinden, dass sie ein Kernkraftwerk vor die Nase gesetzt bekommen. Und in dieser Branche mehr Leute beschäftigt sind als bei den nuklearen Gefährdern.

Nun denn, zurück in den Alltag. Eine neue Umgehungsstraße bringt uns an Jever vorbei. Die Wohnung, in der wir für eine Woche unser Lager aufschlagen, hat Fliegengitter an den Fenstern. Eine Sache, die ich mir in der Jugend ständig gewünscht habe.

Wenn man die Stätten aufsucht, die man als Kind gesehen hat, dann kommt einem alles meist viel kleiner vor. Man stand vor einem Haus und fand es riesig. Vielen geht das so. Hier ist es anders. Ich habe das Wachsen eines Landes miterlebt. Und wo ich mit 10 Jahren über ein Stück Schlick sehen konnte, wachsen heute Bäume in die Höhe.

Unsere ersten Sommer haben wir am Strand in Hooksiel verbracht, an der Straße nach Horumersiel, die sich in zwei Fahrspuren teilte. Heute kann man dort mit dem Auto gar nicht mehr halten. Von dort aus habe ich die Bagger sehen können, die den Deich am Vosslapper Watt geschlossen haben. Ein Stück Landgewinnung wurde gerade abgeschlossen. Später entstand dort ein Werk der ICI, chemische Industrie direkt am Jadebusen. Früher schon streckten sich die Anleger des Ölhafens in den Jadebusen, die Pipeline führt das Öl bis herunter ins Ruhrgebiet. Ich erinnere mich auch an große Silos, die im neuen Hafen von Hooksiel lagen, um im Chemiewerk eingebaut zu werden.

Die Fahrt am Vosslapper Watt zeigt, dass nicht alles seit der Kindheit geschrumpft ist. Die Bäume sind in den letzten 30 Jahren ordentlich in die Höhe gewachsen. Aus dem öden Land ist ein recht angenehmer, vor Wind und Wetter geschützter Platz geworden, da muss man den Planern wirklich ein Kompliment aussprechen.

Vielleicht ist es mit Idylle ja bald vorbei, wenn hier jeden Tag 2.000 Container durchrauschen.

In den Marinas des Hookmeer, wie sie die Fläche aus Brackwasser inzwischen getauft haben, liegen schätzungsweise mehrere Hundert Jachten. Schiffe und Boote verschiedener Größe. Und auch hier hält langsam der Fortschritt Einzug, ich sehe mehrere Katamarane.

In Hooksiel selber haben einige Umbauarbeiten stattgefunden. Die große Tankstelle am neuen Kreisverkehr ist dicht. Alle Anzeigen für Treibstoffe auf Null. Aber leider sind auch die Tanks leer.

Die Durchgangsstraße durch Hooksiel ist mittlerweile zu einer Einbahnstraße geworden. Der Hafen präsentiert sich im Vergleich zu meinem letzteren Besuch hier oben aufgeräumt. Letztes Mal lag noch ein ziemlich verrotteter Ponton hier herum. Mittlerweile liegen hier nur noch Boote, die nicht mehr aus der Zeit vor dem II. Weltkrieg stammen. Und die beiden Fischgerichte, die wir bei Siggi essen, sind nicht nur halb so teuer wie in Köln, sie sind auch noch exzellent. 

16. Juni 2008

An der Nordseeküste gibt es nicht viele Arbeitsplätze. Ein großer Teil des Broterwerbs kommt aus der Touristik. Deshalb sollte man auch akzeptieren, dass hier mit dem Auto fast alles Geld kostet. Parken direkt mit Blick auf die See? Nicht umsonst. Woanders Parken? Fehlanzeige. Besser ist man da mit dem Rad unterwegs. Dass man aber da mit dem Hollandrad bei Gegenwind eine Spitzengeschwindigkeit von 8 km/h erreicht und bei Regen auch gerne einmal innerhalb von 30 Sekunden bis auf die Unterwäsche durchnässt ist, weis ich aus eigener Erfahrung.

Also weiter ins Binnenland. Die Straßen hier sind genauso wie die Parkplätze: eng. Manchmal wird man auch an engen Stellen überholt. Und da es in Deutschland alle immer eilig haben, ist man auch hier zu langsam und wird abgedrängt, wenn man weniger als 40 km/h über dem aktuellen Limit fährt.

Mit dem Rad sieht es etwas besser aus. Bei der letzten Tour Ende der 1990er Jahre bin ich über Nebenstrecken gefahren und habe auch mal einen 3er BMW überholt.

In Wittmund haben wir ihn gesehen. Den Campingplatz, auf dem ich später die Kurtaxe nachzahlen musste, weil die Besitzerin diese nicht abgeführt hatte. War wenig los, so kurz vor Beginn der Hauptsaison. Und hier habe ich ihn wieder gesehen: Den Platz, auf dem die Jugendgruppe neben meinem Zelt laut schreiend den ganzen Tag über dieselbe Bravo-CD anhörte. Der Platz, auf dem ich Heinrich Sobeck geboren habe.

Aber zurück in die Jetztzeit. In der Vorbereitung dieses Urlaubs habe ich mich etwas mit den Karten und ausführlicher Mit Google Earth beschäftigt. Entdeckt habe ich u. a., dass die Bundeswehr offensichtlich immer noch einer der größten Arbeitgeber in der Region ist. So kamen wir in Wittmund nach einer Wanderung durch den Wald an der Einfahrt zum Fliegerhorst Wittmund vorbei.

Vorher ein Abstecher zum Naturhaus. Eine Tafel informiert darüber, dass Ostfriesland eine der waldärmsten Regionen Deutschlands ist. Das sieht man auch auf der Karte. Dieser Forst ist Ende des 19. Jahrhunderts aufgeforstet worden, weil man kein Holz mehr zum Heizen, für den Bootsbau und die Bauindustrie hatte. Die Geestrücken waren um 1800 komplett abgeholzt. Dieser Forst wurde also neu aufgeforstet und brannte dann 1911, wie ich las, komplett ab. Jetzt gibt es Schneisen und offenbar auch keine Monokultur mehr.

Was man hört, aber nicht sieht und auf der Karte nicht steht, sind die beiden Fliegerhorste. Google Earth hat da einiges verändert. Seit wenigen Wochen weis ich, dass es einen Fliegerhorst in Wittmund und einen bei Jever gibt. Auf der Karte sieht man sie beide nicht. Und so groß wie Weeze früher war scheinen sie auch nicht zu sein.

Manchmal frage ich mich, welche Zielgruppen die Planer der Touristik und des Marketing in dieser Region ansprechen. Eines ist mir heute, da ich vom Beifahrersitz endlich mal etwas sehen konnte, klar geworden. Es sind vor allem die älteren 25% unserer Bevölkerung in Deutschland und Familien mit (kleinen) Kindern. Die meisten Orte hier sind Kurorte und auf alte Menschen eingerichtet. Auf der anderen Seite gibt es Spielgeräte, Möglichkeiten die Kinder zu wickeln und einen Kinderstuhl im Restaurant als das natürlichste der Welt. In der Zeit meiner Kindheit gehörte sich das nicht.

Eine Sache, in der sich dies für mich manifestierte: Der Raddampfer in Carolinensiel. Die „Concordia“ pendelt auf einer Strecke von 2 km zwischen dem alten Hafen von Carolinensiel und dem im 19. Jahrhundert angelegten Hafen von Harlesiel. Für die Strecke braucht das Schiff fast eine Stunde. Nun ja, mit einem Gipsbein ist man schneller. 

17. Juni 2008

43. Blöde Zahl. Mit 44 hat man ja viermal die närrische Zahl. Mit 42 hat man die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und überhaupt. Wie hieß das eigentlich im Original bei Douglas Adams? Nun ja. 43. Wenigstens eine Primzahl.

Also wieder ein Jahr älter. Im Marinemuseum in Wilhelmshaven bekam ich dafür sogar eine Ermäßigung beim Eintritt. Die Stadt präsentierte sich recht ansehnlich, wir waren allerdings auch auf der Schokoladenseite und als ich 1988 hier war, erinnere ich mich, gab es doch schon abseits der Fußgängerzone in der Innenstadt Verfall zu sehen.

Dieser Tag führte uns also in die Stadt, in der Kaiser Wilhelm den Stützpunkt für seine ehrgeizigen Marinepläne aufbauen lies. Das Wattmuseum am Südstrand ließen wir diesmal außen vor, das habe ich in den letzten 30 Jahren ja auch schon zweimal gesehen. Das Marinemuseum war das letzte Mal noch in Planung.

Im Eingangsbereich bekommt man schon so einen Eindruck, was die letzten 150 Jahre passierte. Eine Menge Uniformen. Besser aber: einige Schiffe der Marine, angefangen bei einem Panzerkreuzer unter Segeln. Dann Schiffe aus der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die „Thüringen“ ist mir besonders aufgefallen. Das Schiff hat eine winzige Brücke. Und nicht nur Geschütztürme vorne und hinten. Auch mittschiffs sind jeweils steuer- und backbord je zwei Zwillingstürme. Eine Konstruktion, die ich auf Schiffen aus der Zeit des II. Weltkriegs noch nie gesehen habe.

Sehr gut bei der Ausstellung: Man setzt sich kritisch mit der Geschichte der Marine auseinander. Denn bei einigen der geehrten Admiräle und führenden Offiziere der Marine wird hinterfragt, was sie in der Zeit der Nazis angestellt haben. Und dies wird mit erfreulicher Offenheit dargestellt, auch die Tatsache, dass der Name „Mölders“ nicht mehr für Kasernen verwendet wird.

Den gleichnamigen Zerstörer hatte ich in der Zeit, da ich noch jung und dick war, in meinem Quartett. Nun liegt die „Mölders“ im Hafen und kann in einem Rundgang begangen werden. Zu Beginn wird die Zeit von 1965, nicht nur seit meiner Geburt, sondern auch seit der Bestellung des Schiffs, dargestellt und in einen geschichtlichen Zusammenhang gestellt. Dabei kommen die 68er gut weg. Dargestellt wird der Kalte Krieg und die Veränderungen, seit der Warschauer Pakt sich auflöste und die Bedrohungslage eine andere geworden ist.

Man läuft einmal von achtern nach vorne. Dann geht’s rein ins Schiff. Man kann sich auf der Brücke ans Steuerrad stellen und auf einem der Schwingsitze Platz nehmen, die vermutlich früher dem diensthabenden Offizier vorbehalten waren. Unter Deck gibt es dann die Messen der unterschiedlichen Dienstgrade zu sehen und die Unterkünfte der Mannschaften. Schon abenteuerlich, wie eng die Männer zusammengepfercht waren.

Auch ein U-Boot liegt im Hafen herum und kann begangen werden. Das ist noch enger als die „Mölders“. Nichts für Menschen mit Klaustrophobie.

Im Eingang des Museums ist ein Starfighter aufgeständert. Ach, was waren das doch für Zeiten, als Franz-Josef Strauß dessen Beschaffung durchdrückte und später knapp 300 davon abstürzten, weil die Einbauten auf deutschen Wunsch das Flugzeug fast fluguntauglich gemacht hatten. Wie auf Bestellung flog dann auch noch ein Tornado über uns hinweg und zeigte uns, dass die Kisten einen ordentlichen Lärm machten.

Das aktuelle Projekt hier in der Kante ist ja der Jade-Weser-Port. Einer der größten Containerhäfen Deutschlands wird hier entstehen, nachdem im April der letzte Protest gegen den Hafen gescheitert ist. Die Baustelle lässt sich erahnen, es gibt eine gewaltige Zufahrt und die Straße am Vosslapper Watt entlang ist eine von denen, an denen es keinen einzigen Wegweiser gibt. Jenseits des Deichs ist relativ wenig zu sehen. Und einen Supertanker an den Entladebrücken fürs Öl habe ich diesmal auch nicht gesehen.

Von einem Raser einer Promotionagentur mit Geld ohne Ende aus Münster, der direkt nach der Baustelle die ganze Kolonne überholt hat und den das Tempolimit einen Scheissdreckt schert mal abgesehen, war das eine gute Fahrt. Möge die Drecksau mit den Eiern im Maul in der eigenen Kotze verfaulen.

Zurück in die Vergangenheit. In den 1970er Jahren konnten wir im Sommer regelmäßig ein Schiff beobachten, das regelmäßig vor dem Badestrand auf und ab lief. Wie wir erfuhren, verklappte dieses Schiff Dünnsäure, die bei der Produktion von Titanweiß angefallen war, z. B. bei der Bayer-Tochter in Leverkusen. Mitten im Badegebiet. Es brauchte eine längere Unterschriftenaktion, bis Bayer dies einstellte und seinen Müll weiter draußen in der See abkippte. 

18. Juni 2008

In Jever einen Parkplatz zu finden ist gar nicht so einfach. Es gibt zwar ein Parkleitsystem mit nummerierten Plätzen, aber nach dem Einstieg in die Innenstadt wird man dann wie in Deutschland üblich allein gelassen und muss sehen, wo man bleibt. Wie viel einfacher ist das doch mit dem Rad, wenn einfach rechts raus fahren und anhalten kann. Dabei entdecke ich dann, dass das auch direkt vor dem Schloss geht.

Fast alle Sommer in den 1970er Jahren habe ich in Waddewarden verbracht. Das Dorf macht ja schon einen verschlafenen Eindruck. Ein paar Jugendlich sitzen mit ihrem Motorrollern am Busbahnhof herum und versuchen die Zeit tot zu schlagen. Das Haus, in dem wir früher geschlafen haben, wird scheinbar schon wieder umgebaut, es hat seit 1980 wenigstens einmal den Besitzer gewechselt. Und nach Jever raus gibt es jetzt den Radweg, den ich mir früher immer gewünscht habe.

Einige Häuser stehen hier zum Verkauf, darunter auch eine sehr junge und attraktive Immobilie. Es ist Spekulation, aber vielleicht steht das ja auch mit der Schließung des Airbus-Werks in Varel. Gut möglich, dass Angestellte sich hier eingekauft hatten und nun nach einer neuen Stelle suchen müssen. 

19. Juni 2008

An der Nordseeküste muss ja immer mit Regen rechnen. So war es auch heute. Dafür treibt der Wind diesen dann auch mitunter senkrecht durch die Gegend.

Das Moormuseum dokumentiert die Geschichte der Besiedlung nördlich von Aurich. Es gab mehrere Besiedlungswellen dieser Moorgebiete. Diese fing erst südlich an, die Feengebiete bei Wiesmoor, schlich sich dann nach Norden. Und in diesem Bereich geschah sie von preußischer Seite ungeplant. Siedlerstellen wurden vergeben. Es wurden keine Kanäle gegraben, die Siedler erhielten keine Unterstützung und der Boden wurde mit Brandrodung so bebaut, dass er nach sieben Jahren ausgelaugt war. Danach sollten die Siedler dann Steuern zahlen. Viele von ihnen lebten dann in bitterer Armut. Es ist die Rede davon, dass in den Hütten die Kinder herumliefen und selbst im Winter nackt waren, weil die Familien kein Geld hatten, sich Kleidung zu leisten. Und das Ganze geschah nicht vor Hunderten von Jahren, sondern bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.

1979 wurde dann der Trägerverein für das Moormuseum gegründet. Dieser baute in Eigeninitiative mehrere Häuser auf, die das Leben im Moor dokumentierten.

Und das war kein schönes Leben. Man kann in die Hütten reingehen. Draußen steht dann, dass über Nacht bis zu acht Menschen in der Hütte blieben, auf gerade mal rund 20 qm. Es ging eng zu. Die ersten Hütten waren aus Holzstämmen und mit Lehm beworfenen Wänden. Die Dächer waren aus Stroh oder Riet gedeckt, wobei letzteres als Schilfgras weniger empfindlich gegen Nässe und Winterwetter war.

Wenig Raum also. Aber auch der Aufbau der Hütten selber lässt auf nicht sehr angenehme Bedingungen schließen. So endet die Wand unterhalb des Dachfirst und lässt einen dicken Spalt frei. Heizen war also sinnlos. Die Entlüftung war dabei auch nötig, denn geheizt wurde natürlich mit dem hiesigen Rohmaterial, dem Torf. Und der kann ganz schöne Mengen an Rauch produzieren.

Dusche? Bad? WC? Fehlanzeige. An einer Hütte ist der Abort zu sehen, ein Plumsklo. Vor allem im Winter eine schöne Angelegenheit. Im Sommer auch nicht, wie ich aus den Fahrten nach Georgien noch aktuell in Erinnerung habe.

Und dieses Leben dauerte bis kurz vor unserer heutigen Zeit. Die Rede war bei der Ausstellung von einer Frau, die nur 6 km von Aurich entfernt ihr Leben gefristet hatte, dort aber nie hingekommen war.

Wie sich die Zeiten ändern. Ein Reetdach gilt heute als absoluter Luxus. Das Material gibt es nicht mehr in der Menge wie früher, die Eindeckung ist mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden. Und Arbeit kostet in Deutschland richtig Geld.

Bei der anderen Sache bin ich froh, in der heutigen Zeit zu leben. Da ist nicht nur der Abort vor dem Haus. Da ist auch die Tatsache, dass eine Entzündung des Blinddarms heute kein sicheres Todesurteil mehr ist. Und da freue ich mich darüber, dass ich eine Wohnung mit Bad, Dusche, WC, Zentralheizung, Warmwasser aus dem Hahn und doppelt isolierten Fenstern habe.

Alles Dinge, die früher nicht da waren. 

20. Juni 2008

Wieder einer dieser Tage, an denen man sich nach dem Wetter richten muss. Der Weg führt uns nach Neuharlingersiel. Die Parkgebühren dort stehen denen in der Kölner Innenstadt in Nichts nach. Nun, immerhin, der Tourismus ist die Haupteinnahmequelle dort. Dafür hat dann ein Kutter in der Innenstadt einen dicken Schriftzug der Bösen Onkelz an der Kajüte. Die Nazis haben also auch hier ihre Pest niedergelassen.

Esens hat eine recht malerische Innenstadt, in der man Rechner ab 299.- Euro kaufen kann. Interessant, warum da überall Bären und ein Nashorn herumstehen. Als wir ankommen, geht gerade eine Trauung zu Ende. Recht jung, das Hochzeitspaar. Es gibt Gebläse vom Schützenverein und einen Sechsspänner. Und wir konnten uns nicht mal ein Essen für ein Dutzend Leute in einem Restaurant leisten.

Die Rückfahrt machen wir über Nebenstraßen, während der Regen einsetzt. Es ist schon gut, zu zwei zu navigieren. Das Navigationssystem selber ist nicht unbedingt eine Hilfe, wenn man nicht genau jede Straße vorgibt. Der klassische Weg mit Karte ist besser. Und da ich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen kann, sehe ich endlich mal etwas von der Landschaft.

Fragen bleiben. Was ist das für ein Riesenturm bei Altharlingersiel? Ein Leuchtfeuer für den Flugverkehr hier? Immerhin sind zwei Fliegerhorste hier in der Kante.

OK, zu einer Schiffsreise hat es diesmal nicht gereist. Aber es muss auch etwas für die Zukunft bleiben. Mit den Geschichten aus der Vergangenheit habe ich jetzt jedenfalls abgeschlossen. Dafür eine garstige neue Krimiidee mit reihenweise grausam sterbenden Anwälten. Und mehrere Bücher gelesen. So ein Leben ohne Internet hat was. Ab Samstag werde ich wieder wissen, was in Georgien abgeht.