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11. Kapitel: Der vierte Killer

Sam Spade, die DDR und der Müll

Langweilig, dieser Nachmittag. Kottan ist mit Sonja Becker zu ihrer Wohnung gefahren, damit sie sich neue Wäsche holen kann, Sam wartet darauf, dass Parsons anruft. Wieso braucht der so lange? Er geht zur Kaffeemaschine, gießt seine Tasse voll, wirft einen Blick auf Carmens Schreibtisch, die gerade einkaufen ist. Die Abrechnung des letzten Falls ist noch nicht erledigt, ein Anrufer wollte Sam für die Dauer einer Messe als Bodyguard haben. Alles der normale Kleinkram, der in einem normalen Büro anfällt. Nichts Spektakuläres.

Das Telefon geht.

"Spade?"

"Hammer hier. Was Neues?"

"Die Bullen sind nicht mehr hinter uns her, wir arbeiten zusammen."

"Hab' ich schon gehört. Sonst noch 'was?"

"Wann gehen wir zur Firma?"

"Morgen Vormittag."

"Und bis dann?"

"Wenn Du willst, komm zu meinem Klienten, dann können wir das vorbereiten."

"Ich warte auf 'nen Anruf von Parsons, der wollte den Typen einlochen, den ich gestern Abend observiert hab', den Ronnegger."

"Und?"

"Ich weiß noch nichts, der hat noch nicht angerufen."

"Hm. Ruf an, wenn Du was weißt."

***

Was geht da vor? Seit dem späten Vormittag rotiert Inspektor Parsons, um den vierten Killer festnehmen zu können. Hat ein SEK angefordert und in Bereitschaft versetzen lassen. Je zwei Kollegen in Zivil werden ausgeschickt, um den Mann zu finden. In der Firma ist er nicht, wie die eine Gruppe erfährt, wird erst am Nachmittag zurückerwartet. Ob er in seiner Wohnung ist? Der Wagen, den Sam beschrieben hatte, steht nicht vor der Tür, dafür das polnische Fahrzeug. Ob jemand im Haus ist? Die beiden Polizisten bleiben im Auto vor dem Haus, um zu observieren, ohne einzugreifen.

Am späten Nachmittag ist es Parsons zu viel. Kein Zeichen von dem Menschen, wer weiß, wo der gestern Abend hingefahren ist, als Sam ihn eine Zeitlang auf der A 4 verfolgt hat. Um 5 ruft er die Kollegen beim SEK an, um halb 6 sollen sie das Haus stürmen. 10 Minuten vor dem geplanten Termin finden sich die Männer in der Nähe des Hauses ein, die Straße wird gesperrt, Parsons bleibt außerhalb des Schußfelds stehen, den Hausdurchsuchungsbefehl in der Hand. Ob der Typ die ganze Zeit im Haus war?

Nein. Das Einfamilienhaus ist verwaist, kein Mensch hier. Als die Situation geklärt ist, durchstöbern die Polizisten Dokumente, die sie sicherstellen können, finden Schriftverkehr mit unbekannten polnischen Firmen und Dokumente, die mit der Arbeit der Firma zu tun haben. Aber kein Hinweis auf die Toten der letzten Tage, auf die Kooperation mit der Chemiefirma.

Ein Fehlschlag? Parsons stöbert in Akten herum, als es Lärm auf der Straße gibt. Die Kollegen des SEK sind gerade im Begriff zu gehen, als ein Wagen vor einer der Straßensperren hält, langsam, unauffällig. Der Fahrer lässt das Fenster herunter, von den beiden Beamten schöpft keiner Verdacht. Ein Beamter des SEK, der das Fahndungsfoto des Mannes bei der Vorbereitung des Einsatzes gesehen hatte, dreht sich zur Sperre um, sieht genau diesen Mann auf dem Beifahrersitz und ruft zu seinen Kollegen herüber, dass er das sei. Schnell kommt Bewegung in die Gruppe der SEK-Leute, die Männer greifen sich ihre Waffen und laufen in Richtung der Sperre, dabei hinter parkenden Wagen Schutz suchend. Der Beamte am Fenster der Fahrerseite zieht seine Waffe, wird aber in diesem Moment von dem Wagen zur Seite geschleudert, weil der Fahrer den Rückwärtsgang einlegt und Vollgas gibt, den Wagen wendet und wegfährt.

Aber 3 SEK-Leute sitzen schon in einem ihrer Fahrzeuge und nehmen die Verfolgung auf. Der Benz der beiden Verfolgten ist weniger stark motorisiert als der gepanzerte des SEK, und so holen sie schnell auf. Der Fahrer versucht, die Bullen dadurch am Überholen zu hindern, dass er in der Wohnstraße Schlangenlinien fährt. Als ihn die Polizisten in einer Kurve rammen, verliert er die Kontrolle über sein Fahrzeug, rutscht vor die Bordsteinkante und kippt in einen Vorgarten. Die Bullen stoppen, steigen aus und laufen zum verunglückten Wagen herüber, um die beiden Männer festnehmen zu können. Die sind leicht verletzt, so dass sie sich nicht mehr wehren können. Jetzt kommen die anderen Kollegen angefahren, Parsons sieht sich die beiden Männer an. Ja, das sind sie.

All das teilt er am frühen Abend Sam mit, will sich in den nächsten Stunden selbst um das Verhören der beiden Männer kümmern. Sam lächelt, als er auflegt, nimmt seinen Trench und verlässt das Büro. Nimmt seine Klientin mit, er ist jetzt alleine für ihre Sicherheit verantwortlich, denn Kottan hat er nach Hause geschickt, mit der Weisung, diese Nacht nicht in der Kneipe zu versacken, vielleicht braucht er ihn mitten in der Nacht. Um 8 Uhr sind sie bei Mike Hammer und seinem Klienten.

"Sind wir jetzt außer Gefahr?"

"Nein. Wir haben jetzt 5 Killer tot oder bei den Bullen, aber wer weiß, wie viel da noch 'rumlaufen."

"Und wir haben die Drahtzieher nicht."

"Also - wir können noch keine Entwarnung geben."

"Scheiße."

"Wie lange noch?"

"Bis wir den Fall zum Abschluss gebracht haben. Falls wir das überhaupt schaffen."

"Und was wollen Sie jetzt machen?"

"Wir werden morgen beide zur Firma fahren, zu ihrer Firma. Haben Sie jemals persönlich mit Herrn Kohl Kontakt gehabt?"

"Nein."

"Sonst einer aus Ihrer Firma?"

"Vielleicht mein Abteilungsleiter. Ja, das könnte so gewesen sein."

"Wie heißt der?"

"Droste."

"Gut."

***

Sam wendet sich seiner Klientin zu.

"Wissen Sie, ob ihr Mann mit dem Kohl Kontakt gehabt hat?"

"Keine Ahnung."

"Und Sie selber?"

"Nie. Ich kenne niemand aus der Firma, ich hab' damit nichts zu tun gehabt."

"Ach? Ich habe den Eindruck, dass Sie mir eine Menge verschweigen."

"Wieso das?"

"Da sind die Typen hinter mit her, versuchen mich umzulegen, knallen Ihren Mann ab, und Sie interessiert das nicht? Erscheint mir aber sehr verdächtig, was Sie da machen."

"Ja und?"

"Wo stehen Sie bei der Sache? Sie haben damit mehr zu tun, als Sie uns sagen wollen."

"Komm, Sonja, früher oder später musst Du's ja doch sagen."

***

Sie atmet tief durch.

"Also gut. Mein Mann hat die Sache nicht selbst eingefädelt, ich habe zu Anfang da mitgeholfen. Ich hab' den Mann, bei dem Sie gestern waren, mehrfach getroffen, hab' als Strohmann für die Firma fungiert."

"Und? Wann? Wie lange?"

"Das war... Vor einem Jahr. Aber nur ganz zu Anfang."

"Warum haben Sie das gemacht?"

"Weil es zu gefährlich gewesen wäre, wenn jemand offiziell aus der Firma den Kontakt aufgenommen hätte."

"Und was haben Sie dafür bekommen? Das macht doch keiner umsonst."

"Ach... Mein Mann hat mich zu Anfang erpresst, hat einen Privatdetektiv engagiert, als ich fremdgegangen bin. Und wollte sich scheiden lassen."

"Ja und? Was hätten Sie dabei verloren?"

"Ich... Ich hatte keine müde Mark, als wir geheiratet haben. Alles, was Sie in dem Haus gesehen haben, stammt von ihm. Wir haben einen Ehevertrag, wenn er sich mit den Fotos von dem Schnüffler hätte scheiden lassen, dann hätt' ich auf der Straße gestanden. Ohne Geld. Und in meinem Alter finden Sie keinen reichen Mann mehr."

"Und weiter? Gibt's die Fotos noch?"

"Nein. Er hat Sie verbrannt, als das Geschäft eingefädelt war, damit uns beide damit keiner erpressen kann. Und, er hat mir ein paar Geschenke gemacht, als Entschuldigung."

"Schönes Geschäft. Naja, so ist das stinknormale bürgerliche Leben."

"Martin, bring mir 'nen Cognac. Ich brauch' jetzt 'was."

***

Der Besitzer des Hauses geht zur Hausbar, nimmt eine Flasche Cognac und vier Schwenker, stellt sie auf den Tisch, um den sie sitzen. Gießt die Gläser halbvoll und reicht jedem ein Glas, aus dem sie je nach Laune mehr oder weniger trinken.

Sam und Mike unterhalten sich darüber, was sie Morgen in der Firma anstellen sollen, bekommen von den beiden Klienten wertvolle Informationen, wen sie über was ausfragen können. Es geht auf Mitternacht zu, die Flasche Cognac ist leer, als Sam seine Klientin ins Auto packt.

"Haben Sie eigentlich keine Familie?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Geht in diesem Job nicht. Oder wollen Sie jeden zweiten Abend zu Hause hocken und Angst um Ihren Mann haben, weil der wieder irgendeinen Kriminellen verfolgt?"

"Nein."

"Na bitte. Und deswegen sind mir auch alle Frauen in den letzten Jahren weggelaufen."

"Wollen Sie sich denn nicht irgendwann zur Ruhe setzen?"

"Zur Ruhe? Und wovon soll ich meine Rechnungen bezahlen? Erst, wenn ich den Job nicht mehr schaffe. Oder wenn ich abgeknallt werde, dann sowieso."

"Macht Ihnen das etwa Spaß?"

"Meistens. Sonst würde' ich ja nicht machen. Hab' mich an die Gefahr gewöhnt, ich brauch' den Thrill."

"Sie sind verrückt."

"Ja."

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