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Reisen

Die spanische Immobilienkrise vor Ort erlebt

Thomas Berscheid | 03. Oktober 2012

Reisebericht Spanien im Sommer 2012

Der Urlaub in Spanien sollte nicht nur der Entspannung, der Ruhe und dem Gewinn eines Sonnenbrandes dienen. Ich wollte auch näheres über die Lebensumstände im Land erfahren. Das in einer Zeit, da die konservative Regierung den Menschen das Leben unter dem Gesäß wegspart. Ich wollte auch sehen, ob man die Gründe für die Immobilienkrise sehen kann. Und die Auswirkungen.

Aber zu den Anfängen. Heutzutage bereitet man eine Reise ja bei Google Earth vor. In Spanien ist Street View im ganzen Land freigeschaltet, ähnlich wie in Frankreich. Ich konnte mir also nicht nur die Route der Vuelta durch Haro ansehen, sondern auch die dortigen Immobilien. Aus der Luft betrachtet ist rund ein Drittel der Fläche der Stadt seit Beginn des Jahrzehnts bebaut worden. Die Zeitleiste bei Google Erde erlaubt den Vergleich.

Wenn man durch Haro geht, dann fallen die viele Immobilienmakler auf. Ich habe in der Innenstadt rund ein Dutzend Büros gezählt. Dies ist, sagen wir mal, für eine Stadt mit 12.000 Einwohner etwa die gleiche Menge wie für Köln mit einer runden Million. Die Preise sind allerdings andere.

Während man in Köln für ein neu errichtetes Reihenhaus mit einem Taschentuch Garten, also Platz für drei Grashalme, mindestens 250.000 Euro hinlegen muss, bekommt man Neubauten in Haro schon für die Hälfte. Die interessanten Objekte fingen bei 130.000 Euro an. Einige Exemplare habe ich oben in der Bildergalerie stehen.

Wenn man aus der Stadt nach Südosten heraus geht, findet man den Grund, warum Spanien in die Immobilienkrise gerutscht ist. Nah an der Stadt sind 4- bis 5-stöckige Häuser, in denen so gut wie alle Rolladen geschlossen. Nun, das ist tagsüber in der Innenstadt auch der Fall, nicht jedoch am Abend, wenn die Hitze nachlässt. In manch einem dieser Häuser habe ich von Dutzenden Wohnungen eine einzige bewohnt gesehen.

Im Erdgeschoss dieser Häuser war wohl geplant, Geschäfte anzusiedeln. Nun ist das Erdgeschoss bei diesen Häusern in den meisten Fällen zugemauert, richtig mit Steinen, nicht nur mit einer Holzverkleidung. Wahrscheinlich ist dies so geschehen, um den Anblick leerer Fensterhöhlen, den Anblick toter Augenhöhlen des Lebens beraubter Häuser zu vermeiden.

Die Straße, die sich hier durchzieht, ist ein Paradies. Für Autofahrer. Zwei Fahrspuren in jeder Richtung, nicht ein einziges parkendes Auto, glatter Asphalt vom Feinsten. Ein paar Jugendliche rasen darauf mit ihren Autos herum. Nur Wohnen tut hier keiner. So ähnlich muss sich eine Geisterstadt anfühlen.

Geht man dann ein Stück weiter zum Sportpark…

Überhaupt, der Sportpark! Haro hat etwa die Einwohnerzahl von Grefrath. Während dort zwischen dem Schulzentrum und meiner früheren Wohnlage ein Zaun entstanden ist, damit der Ball nicht dauernd in die Gärten fliegt, spannt sich in Haro ein riesiger Bogen aus Stahlträger und Beton über die Tribüne eines Sportstadions. Platz ungefähr für die halbe Bevölkerung. Ein Blick hinein zeigte eine gähnende Leere. Nur im angrenzenden Café waren ein paar Leute. Etwas weiter ist ein hohes Gebäude mit betonierten Wände in der Mitte, zur Seite offen. Ein schöner Platz, um Squash zu spielen.

Nun, auf dem Weg dorthin dann vielleicht der beste Hinweis, was eine Immobilienkrise bedeutet. Direkt an den Park grenzt eine Reihe von Reihenhäuser. Wahrscheinlich waren hier 24 Häuser geplant, jeweils in Gruppen zu 6, dazwischen dann die Zufahrt zu einer Tiefgarage. 18 wurden gebaut. Die letzten 6 sind gar nicht mehr fertig gestellt worden. Wie ein Gerippe stehen die Betonstützen und die gegossenen Decken für zwei weitere Häuser fertig. Der Rest des Platzes ist abgesperrte Baustelle.

An vielen dieser Häuser klebt ein Plakat, dass diese zu verkaufen sind – ich glaube, es sind genau die Häuser für 130.000 Euro. Eines davon scheint bewohnt. Bei vielen der Häuser fällt auf, dass der Garten durch einen Sichtschutz zum rückwärtig gelegenen Sportpark abgeschirmt ist. Es handelt sich immer um dieselbe Matte, die zur Absperrung verwendet worden ist. Rankende Pflanzen sollen andeuten, dass dort jemand wohnt. Nur in einem dieser Häuser habe ich es aber erlebt, dass jemand dort ein Fenster aufmacht. Die übrigen Häuser scheinen ab und an Besuch zu bekommen, damit es nicht so aussieht, als ob hier alles leer stehe.

Und so sieht es in einem Drittel der Stadt aus. Aber Haro liegt damit nicht alleine. Wir waren in mehreren dieser kleinen Orte, und teilweise bestand die Hälfte des Ortes aus neu gebauten Häuser. Viele, sehr viele davon leer stehend.

In diese Häuser sind also Milliarden an Krediten geflossen. Darüber, ob man diese Häuser braucht und wer dort wohnen soll, hat sich niemand Gedanken gemacht oder machen wollen. Dafür gab es genug Politiker, die in den Aufsichtsräten der Banken gesessen haben und Projekte durchgewunken haben, um auf Kosten anderer Leute Arbeitsplätze zu schaffen und Wahlen zu gewinnen.

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