Heinrich und warum er am Niederrhein arbeitet

TB: Sie ermitteln in Ihren Krimis am Niederrhein. Warum ausgerechnet in Grefrath?

HS: Das war nicht meine Entscheidung. Ich habe das zweifelhafte Glück, daß mir die Leichen immer vor die Füße fallen. Kaum bin ich in dem Dorf, stirbt jemand, eine riesige Fabrikhalle brennt ab oder es passiert sonst etwas, das den größten Kriminalfall des Jahres darstellt. Es ist wie ein Fluch.

TB: Und was verbinden Sie mit dem Niederrhein allgemein?

HS: Hans Dieter Hüsch hat mal gesagt: Am Niederrhein sind selbst die Kühe katholisch. Für mich ist der Niederrhein ein geiles Trainingsrevier für das Rennrad. Nicht so flach wie an der Nordsee oder im Emsland, gut asphaltierte Wege. Immer wenn ich in die Gegend komme, merke ich, daß ich aggressiver werde. Es hat wahrscheinlich mit meiner Kindheit zu tun.

TB: Also Ihr Elternkomplex?

HS: Ich war deswegen nicht in psychologischer Behandlung. Aber die Analyse stimmt.

TB: Was macht für Sie die Arbeit am Niederrhein aus?

HS: Daß ich nach drei Stunden auf dem Rad wieder in Köln bin. Bei Rückenwind auch in 2 ½ Stunden. Ne, ehrlich: Ich bin in der Gegend aufgewachsen. Mir ist die Mentalität der Menschen vertraut. Ich bin aber auch lange genug weg aus der Region, um mit Distanz an die Arbeit rangehen zu können. Ich habe nicht das Gefühl, mich mit allen Menschen solidarisieren zu müssen.

TB: Sie haben gerade drei Sätze hintereinander mit „Ich“ angefangen. Sind Sie geil auf Karriere?

HS (lacht): Die einzigen Dinge, auf die ich geil bin, sind schnelle Räder, Katzen und Frauen. Karriere in der Art, daß ich mit 40 Chefredakteur beim Focus sein will, interessiert mich nicht. Ich leiste…. schon wieder ein Satz mit Ich…. Ich leiste mir den Luxus, selber zu entscheiden, was und wie ich arbeite. Die Jobs, die ich zu Anfang als Journalist gemacht habe, haben ausgereicht, daß ich ein stabiles Leben führen kann. Ich brauche keinen Porsche vor der Tür. Also kann ich Angebote ablehnen und muß nur dann klotzen, wenn es mit der Miete knapp wird. Und ich habe den Einstieg so geschafft, daß ich nicht jeden Tag beim WDR in fünf Redaktionen anrufen und einen Bericht über die Kirmes in Hinterscheid-Dorfhausen anbieten muß. Jedenfalls nicht in diesem Jahr. Meine berufliche Laufbahn war nicht glatt. Bei dem Blatt, bei dem ich mein Volontariat machen wollte, bin ich rausgeflogen. Denen hat es nicht gepaßt, daß ich den größten Hormonskandal in der Rinderzucht im Münsterland aufgedeckt habe.

TB: Haben Sie ethische Grundsätze?

HS: Ich würde niemals eine Zeile schreiben, die ich nicht beweisen kann. Den Rechtsanwalt unserer Redaktion habe ich in den letzten Jahren schon oft genug bemühen müssen. Und ich weigere mich, Mainstream zu machen. Auf eine Mitarbeit bei Deutschland sucht das Superarschloch kann ich verzichten. Und ich mag die Geilheit der Medienmaschine auf bestimmte Themen nicht. Wenn eine Geschichte irgendwo in der Agentur steht, wird sie abgeschrieben, alle stürzen sich drauf, keiner prüft sie nach…. 120 Skinheads fallen in einem Freibad über einen Jungen her, der nicht deutsch aussieht, und ertränken ihn. Wochenlang hat das die Nachrichten beherrscht. Keiner hat nachgeprüft, was an der Geschichte dran ist.

TB: Und was hätte sie an der Geschichte interessiert?

HS: Der Hintergrund. Wo kam die Geschichte her? Warum hat die Mutter des toten Jungen das gemacht? Was hat sie dazu getrieben? Jeder glaubt es, und warum das?

TB: Wie hätten Sie die Sache angefangen?

HS: Klinkenputzen. Erstmal das gesamte Umfeld der Personen abklappern. Meine Erfahrung ist, daß man spätestens nach dem dritten Nachbarn, der mit einem redet, ein genügend detailliertes Bild hat, um die nächsten Interviews mit Hintergrundwissen führen zu können. Der Müller sagte mir gestern, daß Sie wegen Ihres Rasens eine Auseinandersetzung mit Frau Maier hatten…. Bumm. Schon hast du den Mensch bei den Eiern.

TB: Wo möchten Sie in 10 Jahren stehen?

HS: Da möchte ich lebendig sein. Also würde ich jetzt niemals in den Irak gehen. Vielleicht habe ich dann ja Familie. Eine eigene Late Night Show im WDR. Oder ich folge Domian nach. Wir werden es sehen.

TB: Heinrich Sobeck, ich danke Ihnen für das Interview.