Die ersten Jobs in Köln

TB: Wir nähern uns der Gegenwart. Sie haben also mit einem Germanistikstudium angefangen. Haben Ihre Eltern Sie denn dabei unterstützt?

HS: Ja und nein. Ja, sie haben mir jeden Monat ein paar Hundert Mark überwiesen. Den Euro gab es ja damals noch nicht. Es reichte aber nicht, ich mußte mir Geld dazu verdienen.

TB: Im Vorgespräch zu diesem Interview haben sie mir gesagt, daß Sie Jobs gemacht haben, die nicht unbedingt typisch sind für jemanden, der Germanistik studiert. Zählen Sie doch mal auf.

HS: Aha. Eine offene Frage. Handwerk des Interviews, zweites Kapitel, erster Abschnitt.

TB: Bleiben Sie doch bitte bei der Sache.

HS (Zieht eine Augenbraue hoch): Ich hab angefangen als Fahrradbote, dann Bodyguard, Fahrer, Fahrtrainer,….

TB: Da muß ich mal nachhaken. Sie sind vom Fahrrad aufs Auto gekommen?

HS: Beine für den Job als Bike Messenger hatte ich gute. Dann habe ich aber zwei Typen kennengelernt, (siehe Hanni und Nanni, linke Navigation) die Bodyguards ausgebildet haben. Da bin ich dann so in diese Türsteherszene reingerutscht.

TB: Also in die kriminelle Szene, die in Köln die Macht auf den Ringen hat und deren Mitarbeiter jeden Tag ins Fitnesstudio gehen?

HS: Nicht die kriminelle Szene. Hanni und Nanni hatten einen Ehrenkodex. Die haben sich nie mit großen Kriminellen eingelassen. Beide waren früher Bullen, die wollte ihr Geschäft nicht in Gefahr bringen.

TB: Was für ein Geschäft?

HS: Sie haben Leibwächter vermittelt und ausgebildet. Außerdem haben sie Leibwächtern und Managern beigebracht, wie man sich im Auto sicher bewegt und sich vor Überfällen schützen kann.

TB: Das heißt konkret?

HS (Streicht sich die Haare zurück, denkt nach): Es ist allein schon wichtig, daß man lernt, mit Ängsten umzugehen. Gehen Sie mal mit dem Auto in eine Steilkurve. Die meisten bekommen Angst. Genau diese haben wir Ihnen genommen.

TB: Was war Ihre Aufgabe dabei?

HS: Ich war ja Lehrer (lacht). Also habe ich mit den Leuten im Auto gesessen und ihnen beigebracht, wie sie mit hohem Tempo um die Ecke kommen und rückwärts wenden. Außerdem haben wir auf dem Sachsenring schnelles Fahren geübt. Sie Ausweichen bei 160 Sachen.

TB: Sie waren Radrennfahrer und haben Leute fürs Auto trainiert?

HS: Eben! Viele Radsportler haben auch ein sehr sicheres Gefühl für Autos. Walter Röhrl z. B. hat Rallyes gewonnen und ist sehr gut auf dem Mountain Bike. Man bekommt schnell ein Gefühl für das Fahrzeug, egal ob Fahrrad oder Auto.

TB: War das alles? Haben Sie nur andere Leute trainiert?

HS: Wir haben auch Inkasso gemacht.

TB: Für die Telekom? Sie haben Briefe verteilt?

HS: Nein, für besonders harte Fälle. Wir hatten zum Beispiel Bauunternehmer, die ihre Handwerker nicht bezahlt haben. Harte Brocken. Die haben wir unter Druck gesetzt.

TB: Wie?

HS: Das tut nichts zur Sache.

TB: Na, kommen Sie! Wir sind doch unter uns.

HS (kratzt sich am Kopf, sieht zur Seite): Ich geb zu, das war nicht alles legal. Wir haben einem Unternehmer 15 Tonnen Bauschutt auf seinen Jaguar gegossen, weil er Geld für sechs Reihenhäuser kassiert hatte, die Handwerker aber keinen Pfennig gesehen haben. Einen Anwalt haben wir so lange verfolgt und ihm nacheinander fünf Handies ruiniert, bis er endlich seinem Mandanten das erstrittene Honorar gezahlt hat.

TB: In der Branche sollen ja auch mal ein paar Knochen brechen. Sie sind Kampfsportler. Haben Sie auch Leute mißhandelt?

HS: Nein. Wir haben nie jemanden zusammengeschlagen. Mal geschubst oder in den Sicherungsgriff genommen. Denen haben wir dann ihre geliebten Porsches aufgeschlitzt. Das war viel besser, als ihnen die Ellbogen nach außen zu drehen.

TB: Und mit diesem Hintergrund sind Sie Journalist geworden?

HS: Das hat mir außerordentlich geholfen. Ich lasse mich an einer Tür nicht einfach abwimmeln. Ich bin bei Interviews schon einige Male angegriffen worden. Und von denen hat hinterher keiner mehr versucht, auf mich einzuschlagen.

TB: Sie sagten, sie waren auch Bodyguard. Wen haben Sie geschützt?

HS: Manager, Sportler… Keine großen Kriminellen.

TB: Was haben Sie dabei erlebt?

HS: Wir haben allen Kunden Diskretion zugesichert. Ich kann nicht über die Kunden reden.

TB: Ach? Verträgt sich das mit dem Anspruch des Journalisten? Geheimnisse?

HS: Man muß das trennen. Das sind zwei unterschiedliche Jobs. Letztens habe ich einen Geschäftsmann zum Interview gehabt, den ich vier Jahre zuvor gefahren hatte. Ich habe ihn darin erinnert, und er wußte noch wer ich war. Er hatte mich gebeten, einen Trupp von Paparazzi abzuhängen. Hab ich auch geschafft. Hat 6 Punkte in Flensburg und einiges an Geld gekostet, zum Glück auf Spesen. Und die Autoreinigung. Der Kunde fand die flotte Fahrt zum Kotzen.

Der vierte Teil offenbart Heinrichs Probleme mit den Frauen.