Die wahre Geschichte des Homo Erectus aus Georgien

Die Geschichte der Menschheit mußte im 21. Jahrhundert umgeschrieben werden. Bislang war man davon ausgegangen, daß sich die Menschheit in den vergangenen 8 Millionen Jahren in Afrika entwickelt hatte. Erst in jüngster Zeit, also vor rund 100.000 Jahren, setzte eine Wanderungsbewegung ein und die Menschheit fing an, sich über den gesamten Planeten auszubreiten.

Zu Beginn der 90er Jahre machten Archäologen dann eine Entdeckung, die diese vorherrschende Meinung über den Haufen warf. Der georgische Archäologe David Lortkipanidse und seine deutsche Kollegin Antje Justus gruben Teile von Menschen aus, die bereits vor Hunderttausenden von Jahren im heutigen Georgien siedelten. Damit verstießen sie gegen landläufige Lehrmeinungen. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts gelang ihnen dann einer dieser Funde, die man im Leben eines Wissenschaftlers nur einmal macht: Sie gruben zwei Schädel eines Homo Erectus aus.
Beide Schädel wurden auf ein Alter von rund 1,8 Millionen Jahren geschätzt. Die Wanderung des Menschen hatte also schon erheblich früher eingesetzt als bisher von der Wissenschaft anerkannt.

Doch bei diesem Fund blieb es nicht. Zu Beginn des Jahres 2004 wurde ein weiterer Schädel ausgegraben. Dieser Mensch war in reifem Alter verstorben. Er hatte kaum noch Zähne. Nach der damaligen Ernährung der Menschen wäre er somit dem Tode geweiht gewesen. Allerdings hat dieser Mensch, wie Untersuchung von Paläomedizinern ergaben, noch Jahre nach dem Verlust seiner Zähne gelebt. Er wurde also von den anderen Mitgliedern seiner Familie gepflegt und ernährt. Somit haben wir mit diesem Fund aus Georgien den ersten Fall von Altersversorgung in der Geschichte der Menschheit.

Im August 2005 gibt es eine neue Entwicklung. Der georgische Privatsender Rustawi 2 meldete, ein neuer Schädel sei am Grabungsplatz Dmanisi gefunden worden. Dies wäre somit der 5. Schädel von diesem Fundort. Nach Angaben des Senders ein Kandidat für das Guiness Buch der Rekorde.

Für mich persönlich stehen der Homo Erectus und sein Fundort Georgien noch in anderem Zusammenhang. Der Homo Erectus bekam seinen Namen, weil er der erste Mensch im Stammbaum des heutige Homo Sapiens war, der aufrecht ging. Dies kann in Zusammenhang mit georgischen Verhaltensweisen jedoch noch anderes bedeuten. Zum tradierten Erbe der Georgier zählt die Supra, nein, nicht der inzwischen eingestellte Sportwagen von Toyota, sondern die georgische Tafel, die von einem Tamada (gewählten Tischführer) dominiert wird. Meine Vermutung ist nun, daß der Homo Erectus seinen Namen bekam, weil man an einer Supra in der Regel sitzt, aber aufrecht steht, um einen Trinkspruch auszubringen. Aus dieser Bewegung heraus ist der aufrechte Gang entstanden und später nach Afrika exportiert worden.

Wahrscheinlich sind die beiden Menschen, deren Schädel zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Dmanisi entdeckt worden, auch auf diese Art gestorben. Sie wurden vermutlich Opfer eines reichlichen Alkohol- und Fleischkonsums. Seinerzeit war die Kommunikationsfähigkeit des Menschen noch nicht so stark ausgeprägt, und daher konnte der Tamada dem Gelage nicht rechtzeitig Einhalt gebieten. Ein tragisches Ende, aber ihre Überreste haben die Geschichtsschreibung der Menschheit revolutioniert.

Lesen Sie nächste aus der Reihe „Wissenschaftliches aus Georgien“: Fragen zu Makrophagen

Thomas Berscheid, 6. August 2005