Meine Sicht zum Fall Mirco

Ende August 2010 gab es in Georgien ein Unglück in einem Bergwerk. Schlagende Wetter. Mehrere Kumpel starben, einige von ihnen wurden in eine Klinik in Tbilisi eingeliefert, die auf die Behandlung von Brandopfern spezialisiert ist. Dort teilte sich ein Ärzteehepaar die Schicht am Wochenende. Er wurde Samstags für die Nachrichten im Fernsehen interviewt. Sie hatte kein Mikrofon vor der Nase, dafür die Schicht am Sonntag. Zumindest einem der Bergmänner konnten sie nicht das Leben retten. Und diesem Unglück folgten noch mehrere andere.

Eine Woche danach, am Abend des 3. September 2010 erwarteten wir Besuch aus Georgien. Genau dieses Ärzteehepaar, Verwandte von mir. Wie oft in solchen Fällen, kamen beide gut mit dem Flugzeug in Deutschland an. Nicht jedoch ihre Koffer. Die kamen erst gegen 23:00 Uhr abends mit einem Kurierdienst.
Am Samstag fuhren wir in die Eifel, nicht weit von den Hauptstädten der Eifelkrimis hatten wir ein Ferienhaus für eine Woche gemietet. Dort hatten wir zwar Internet und das Laptop dabei, die Verbindung des WLAN war jedoch sehr lahm. Ich machte die Webseite des WDR auf. Ein 10-jähriger Junge sei in Grefrath vermisst worden. Wahrscheinlich das Grefrath bei Neuss, aber nicht meins. Dann las ich etwas von der Polizei des Kreises Viersen. Es war also doch mein Grefrath. „Naja“, dachte ich mir, „die werden ihn schon wieder finden.“
Meine allererste Idee zu dem Fall war: Das hat es alles schon einmal gegeben. Damals war ein Junge aus der Grundschule nicht nach Hause gekommen. Seine Eltern gaben ihn als vermisst aus. Die Polizei begann eine Suchaktion. Natürlich fragte eine Streife auch im Kinderheim in Grefrath nach. Eine Wirtschaftskraft sagte den Polizisten, dass der Junge dort nicht aufgetaucht sei. Sie kannte ihn als Schulfreund ihres Sohnes. Und war verwundert, als sie den vermissten Jungen dann zu Hause fand. Ich wollte ihm meine Eisenbahn zeigen.
Am Sonntag setze ich mich dann vor den Laptop. Der 10-jährige Micro S. aus Grefrath ist immer noch vermisst.

Dann kam die Meldung, die alles veränderte.

Der Parkplatz

Der WDR meldet, dass die Polizei die Jogginghose von Mirco gefunden habe. Eine Passantin habe sie auf einem Parkplatz gefunden, mitgenommen und sie gewaschen. Dabei Spuren vernichtet. Aber das ist nicht das Wichtigste.

Welcher Parkplatz war das denn?

Ich rufe meinen Vater an. Es war der Parkplatz zwischen Grefrath und Hinsbeck. Ich frage extra nach. Diesen Parkplatz kennen doch nur Einheimische! Es ist dieser Parkplatz an der einzigen Strecke am Niederrhein, an der man mit dem Auto zwischen Hinsbeck und Schlibeck das Bergfahren üben kann. Schräg gegenüber der früheren Radarstation der belgischen Luftabwehr, Ostflanke der NATO.

Ab diesen Zeitpunkt war mir klar: Der Täter, was auch immer er getan haben möge, muss entweder aus Grefrath oder Nettetal stammen.

Die Orte meiner Phantasie

In den kommenden Tagen verfolge ich die abendlichen Nachrichten mit besonderer Spannung. Ich sehe, wie 300 Polizisten in neonfarbenen Umhängen in einer Reihe ein Maisfeld durchsuchen. Genau auf meiner Trainingsstrecke aus Grefrath heraus zur Neersdonker Mühle. Taucher der Polizei gehen in Oedt in die Niers und suche den Fluss stromabwärts nach Spuren ab. Ich denke, wie so oft in diesen Tagen: Ich sehe nicht recht! Genau die Stelle der Niers an der Brücke der Neersdonker Mühle ist in den Nachrichten, an der ich für Heinrich Sobeck einen Versicherungsmakler in den Fluss gelegt habe! Eine nicht zu Ende gedachte Geschichte. Und genau dort vor dem Wehr, wo Heinrich in meiner Phantasie im Training etwas treiben sieht, was sich dann als Leiche herausstellt, steigen die Taucher aus dem Wasser.

Meine Grundschule als Aufmacher

Bei RTL, oder beim Heute Journal, sehe ich dann plötzlich als Aufmacher meine Grundschule. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass die Schule in Grefrath einmal die Topmeldung einer Nachricht im deutschen Fernsehen sein könnte! Und jetzt sehe ich dieses Gebäude, in dem ich vier Jahre meines Lebens gelitten habe, zur besten Sendezeit auf den Bildschirm!

Pilze

Ein paar Tage später berichtet der WDR in einer Reportage bei „Hier und Heute“ über Info Thiel, den Chef der Soko Mirco. Auch ein Einsatz der Polizei wird gezeigt. Und ich bekomme kalte Hände. Zwei Jahre zuvor habe ich eine Kurzgeschichte über einen Mann geschrieben, der beim Pilzesuchen eine Leiche findet. „Pilze“ hat meine Frau in einer Übersetzung in einer Zeitschrift in Georgien veröffentlicht. Jahrelang habe ich mit meinem Vater darüber sinniert: Was machst du, wenn du dabei eine Leiche findest? Die Stelle, an der ich das Skelett einer Frau abgelegt habe, ist nördlich der Blauen Lagune, zwischen dem dortigen Parkplatz und Rehbock, bevor es dann runterging zur Nette. Ich sehe auf dem Bildschirm die Karte. Genau dort sucht eine Hundertschaft der Polizei. In diesem Moment denke ich mir: Lasst sie hier nicht fündig werden!

Vielfach denke ich in diesen Tagen: Seit mehr als einem Jahrzehnt denke ich mir Mordgeschichten in Grefrath aus. Aber so einen massiven Polizeieinsatz wie diesen hier hätte ich niemals ausgedacht, weil es einfach viel zu übertrieben klingt. Und: Lasst bitte meine schlimmsten Phantasien nicht wahr werden!

1.000 Polizisten

Mittlerweile haben sich bis zu 1.000 Polizisten in Grefrath versammelt, um nach dem vermissten Jungen zu suchen. Im Fernsehen sehe ich Bilder der Kolonnen von Einsatzwagen der Polizei, die vor dem Eisstadion parken und dann zum jeweiligen Suchgebiet fahren.

Die Foren

Auf der Webseite des WDR laufen die Kommentare unter den Berichten über den Fall Mirco über. Es gibt so Menschen, die den Eltern von Mirco verwerfen, Rabeneltern zu sein. Ich knöpfe mir diese Typen vor und fahren ihnen über ihr Lästermaul. Seit mehr als 10 Jahren betreibe ich Webseiten und weiß, was Leute in Foren auskotzen. Und diesmal ist das für mich eine sehr persönliche Sache.

Denn:

Heimat

Aber in diesen Tagen merke ich: Da keimt etwas wie Heimatgefühl auf. Das ist mein Dorf, ich bin dort aufgewachsen, das war meine Schule, der Ort der Entführung war mein Weg ins Thomaeum! Das ist für mich mehr als nur irgendein Fall.

Ich rede mit meiner Mutter, sie kennt ja halb Grefrath. Frau S. ist in einer religiösen Gruppe. Eine frühere Kollegin meiner Mutter auch. Natürlich kennt man sich.

An den Krickenbecker Seen

Am Wochenende danach kehren wir aus der Eifel zurück. An diesem Sonntag fahren wir nach Grefrath, natürlich bei dem für den Niederrhein typischen Landregen. Unser erster Halt führt uns zu den Krickenbecker Seen. Dort gehen wir in die Biologische Station. Zum ersten Mal gehe ich auf den Steg hinaus, um eine bessere Sicht auf den See zu haben.

Seit Jahren erkenne ich ja hinter allem Verdächtigen am Niederrhein eine Straftat. Liegt da vielleicht eine Leiche? Könnte dieses Teil ein Ast oder ein aus der Erde ragendes Körperteil sein? Vielleicht 100 Meter von mir entfernt sitzt eine Möwe auf einem Gegenstand, der auf dem ruhigen Wasser des Sees zu treiben scheint. Ich reibe mir die Augen, sehe ein zweites Mal hin. Es ist nun neun Tage her, dass Mirco verschwunden ist. Nach acht Tagen, so habe ich oft gelesen, kommt eine Wasserleiche wieder an die Oberfläche, wenn sie durch die bei der Verwesung anfallenden Gase aufgebläht wird. Dieser Gegenstand, auf dem die Möwe sitzt, hat in etwa die Größe eines Kinderkopfs. Sollte etwa…

Als wir am Nachmittag wieder zu Hause sind, werfe ich einen Blick auf die von der Polizei im Kreis Viersen eingerichtete Webseite zum Fall Mirco. Ich denke lange nach. Schreibe spät abends eine Mail. Am nächsten Tag dann der Anruf von zwei Kommissaren der SoKo. Im See befänden sich mehrere Pfosten, die in den See gerammt worden seien, um es Vögeln dort zu erlauben, sich nieder zu setzen. Ob das diese Stelle sei… Mir fällt mehr als nur ein Stein vom Herzen.

Gedanken, die durch den Kopf gehen

In den nun folgenden Wochen und Monaten laufen die Ermittlungen im Fall Mirco auf Hochtouren. Ingo Thiele sagte in einem Interview: Der Gedanke an den Fall ist das letzte, woran er denkt, wenn er abends seine letzte Zigarette raucht und zu Bett geht. Dieser Gedanke ist der erste, mit dem er morgens aufsteht.
Er ist nicht der Einzige. Als Folge meiner Operation am Hintern fahre ich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Auf den langen Stunden der Rückreise aus dem unwirtlichen Bergisch Gladbach ins Köln auf der richtigen Seite lasse ich meine Gedanken streifen. Was für Verbindungen gibt es? Welche Ansätze könnte die Polizei noch verfolgen? Ich setze mich abends in den Bus, sehe der untergehenden Sonne nach.
Belgische Kaserne.
Dutroux.
Schräg gegenüber dem Parkplatz, auf dem die Jogginghose gefunden wurde, ist die Radarstation der Belgischen Streitkräfte gewesen. Diese eine Kinderschänderbande sitzt zwar seit mehr als einem Jahrzehnt hinter Gittern. Was aber, wenn es eine andere Bande war, die gezielt nach einem Jungen Ausschau gehalten haben? Was, wenn er noch lebt, wenn er irgendwo hinter Aachen in einem Kellerverlies festgehalten wird?

Und dann ist da der Ort der Entführung. In den ersten Nachrichten hieß es, dass es eine Zufahrt zu einem Feld sei. Spätestens nach einem Besuch bei dem mit Betonblöcken gescherten Plakat der Polizei ist klar, dass es diese Zufahrt zwischen dem Kreisverkehr und den ersten Häuser in Grefrath nach Mülhausen raus ist, an denen die Entführung stattfand. Diese Strecke bin ich vier Jahre lang erst mit dem Bus und dann mehrere Jahre mit dem Rad ins Thomaeum gefahren, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Diese Zufahrt kennt doch auf kein Mensch! Ist es also doch jemand aus dem Ort? Oder ist es vielleicht einer der Fallschirmspringer, denn am Wochenende sind die Tandemsprünge oft in den Feld gelandet und die Servicewagen standen in der Einfahrt.
Es waren solche Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind.

Meine eigene Befürchtung

Und über all dem die Angst: Vier Jahre vor der Entführung ist „Das letzte Rad“ erschienen. Auf der ThomWeb.de habe ich in den letzten Jahren immer wieder Anfragen zu Bildern und Sachverhalten in Grefrath bekommen. Was, wenn mich nun einer anschwärzt und ich selber ins Visier der Polizei gerate? Immerhin gibt es einen Berührungspunkt: Der von der Polizei gesuchte Passat Variant ist Firmenfahrzeug meines Arbeitgebers. Und ich war nicht weit weg, als es passiert ist, wir haben ja auf das Gepäck gewartet, wie ich oben erzählte.

Der Besuch aus Georgien fährt

Unser Ärzteehepaar aus Georgien verlässt das Land nach zwei Wochen wieder. Ich habe ihnen noch ein paar andere Teile des Niederrheins und der Eifel gezeigt. In dem Fall, der nun wochenlang Grefrath in die Schlagzeilen brachte, kehrt Ruhe ein. Andere mediale Säue werden durchs Dorf getrieben.

Kloß im Hals

Es sollte fast fünf Monate dauern. Am Vormittag lese ich beim WDR, dass es eine Festnahme gegeben habe. Am Mittag leihe ich mir von den anderen Kollegen aus der IT ein Headset, das einzige Mal in der gesamten Zeit im Betrieb, dass ich dies getan habe. Den Livestream der Pressekonferenz sehe ich mir komplett an. Es ist ein Gefühl der Erleichterung, dass mich überkommt. Auf der anderen Seite ist nun klar, dass Mirco tot ist. Ich kann den Kollegen nicht danken, als ich das Headset zurückbringe. Ich habe einen dicken Kloß im Hals.

Blödsinnige Fragen

Am Abend sehe ich Ausschnitte aus der Pressekonferenz, betretene Gesichter, um Fassung ringende Menschen, die harte Sachverhalte gewohnt sind. Eine Reporterin hält Frauen Grefrath ein Mikro unter die Nase, wie sie sich nun fühlten. Es gibt diese Momente, in denen ich den Leuten hinter dem Mikro dasselbe am Liebsten rechts und links um die Ohren hauen würde. Was soll diese beschissene Frage, nur Minuten, nachdem die Nachricht draußen ist?

Die Trauerfeier

Wenige Tage danach ist die Trauerfeier in der St. Laurentius Kirche in Grefrath. Meine Erinnerung an diese Kirche ist die Kotze auf der Bank vor mir, weil bei der Messe zum Kommunion ein Junge den Weihrauch zum Erbrechen fand. Drei Jahrzehnte war ich nicht mehr in dieser Kirche. Es ist die erste Fahrt, die ich seit dem Aufschneiden meines Hinterns selbst unternehme.

Grefrath ist im Griff der Medien! Parken auf dem alten Friedhof geht nicht. Ich zähle dort allein sechs Lastwagen des WDR, Ü-Wagen von RTL und anderen Sendern. Auf dem Markt ein Skoda von SAT1. Mitten auf dem Platz eine Videoleinwand, damit die Leute sich die Trauerfeier auch Ansehen können, wenn sie in der Kirche keinen Platz mehr finden.

Es ist noch Zeit bis zur Trauerfeier. In der katholischen Bücherei ist extra ein Pressezentrum eingerichtet worden. Vielleicht auch, damit freilaufende Reporter nicht wieder blödsinnige Fragen stellen. Ein Mann verteilt Informationsblätter vor der Kirche. Er ist zwar keiner von den Nazis, die hier marschiert sind, fordert aber die Todesstrafe für den Täter. Wir sind beide aufgebracht. Es ist dieser Mann, von dem in der Zeitung stand, dass er jeden Tag von Düsseldorf aus bis nach Venlo mit dem Rad gefahren war, um die Polizei bei der Suche zu unterstützen.

Meine Eltern haben mir einen Platz frei gehalten. Gut, wenn man Beziehungen zu beiden Religionsgemeinschaften in Grefrath hat! Ich sitze zwar hinter einer Säule und kann den Altar nicht sehen, aber ausgezeichnet hören. Warme Worte von Herrn Lommetz, der ja ein paar Monate zuvor Bürgermeister geworden war. Da ist wieder der Kloß im Hals. Und als ich dann am gleichen Abend in Köln die Spätausgabe der aktuellen Stunde sehe, weiß ich auch, was sich hinter der Säule abgespielt hat.

Der Prozeß

Monate nach der Tat dann der Prozess. Wenn man sich über die Jahre mit Kriminalfällen beschäftigt, ist man gewohnt, auch zwischen den Zeilen zu lesen. Der Täter soll Mirco erst bis zur Besinnungslosigkeit gewürgt und dann erstochen haben, um sicher zu gehen, dass er wirklich tot sei. Der Gerichtsmediziner berichtet, dass die Untersuchung von Mircos sterblicher Hülle keinen Rückschluss mehr darüber zuließ, ob er wirklich erdrosselt wurde. Nun kann man sich vorstellen, in welchem Verwesungszustand die Leiche gewesen sein muss. Weggeworfen in ein Waldstück wie ein Stück Müll, ohne Respekt vor dem Toten, fünf Monate an offener Luft liegend. Es gibt meines Wissens keine Informationen zum Auffindort der Leiche, und das ist auch gut so.

Vorratsdatenspeicherung

Bei einer Sache bin ich mit der Polizei in diesem Fall nicht einer Meinung: Habe es die Vorratsdatenspeicherung gegeben, wäre der Fall schneller ermittelt worden. Schön. Und Hunderttausende unbescholtene Internetnutzer wären in den gleichen Zeit von der Armee der Abmahnanwälte zu Tode abgemahnt worden, obwohl sie niemals ein Musikstück aus dem Internet heruntergeladen haben, ihre IP-Adresse aber per Zufall bei einem der reichen Massenabmahner gelandet wäre.Monate vor der Entführung von Mirco hatte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gestoppt. Trotzdem kam sie in diesem Fall zum Einsatz. Im Gerichtsverfahren hieß es, dass man anhand des Bewegungsprotokolls des Täters genau die Route rekonstruieren konnte, die der Täter zum Verteilen von Mircos Kleidung gefahren war. Also: die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland nach wie vor aktiv.

Was bleibt

Der Fall ist zu den Akten getragen. Ich habe mittlerweile ein paar Geschichten über Festnahmen und Verdächtigungen in Grefrath aus der Zeit der Suche nach Mirco gehört. Vielleicht höre ich in den letzten Jahren noch andere. Diese fünf Monate waren für mich persönlich eine Zeit des Horrors, auch wenn mein Hintern und meine Arbeit es mir verboten haben, die meiste Zeit vor Ort zu sein. Ich weiß nun, dass ich dieser Gegend gegenüber über Heimatgefühle verfüge. Etwas, was ich mir früher nie eingestanden hätte. Zudem habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Schreibblockade gehabt. Denn in diesen fünf Monaten hat die Wirklichkeit meine kriminelle Phantasie links und rechts überholt.

Warum kein Pilzsammler?

Zum Abschluss aber noch der Gedanke, der mich seit der Aufklärung des Falles nicht mehr loslässt. Südlich des Fundorts der Leiche hat mein Vater früher Pilze gesucht. An der Römerstraße entlang der Blauen Lagune lasse ich einen Mann seine bis aufs Skelett abgemagert Nachbarin finden, dort, wo die Polizei suchte. Warum hat eigentlich niemand die Leiche von Mirco gefunden? Da müssten doch Heerscharen von Pilzsammlern durchgelaufen sein! Es war genau die Zeit, in der mein Vater früher jeden Abend losgezogen ist und mit einer Schale von Pilzen wiederkam.

Oder vielleicht ist da nun jemand, der ihn gesehen hat und nicht zur Polizei gegangen ist? Der sich nun Vorwürfe macht? Vielleicht doch eine Geschichte, auf der man aufbauen könnte.

 

Thomas Berscheid, Oktober 2012